Eine einzelne, prächtige Blüte, kunstvoll umrahmt von einer sorgfältigen Auswahl kleinerer Blumen, Blätter oder Gräser – die Werke der japanischen Blumensteckkunst Ikebana unterscheiden sich von unseren üppigen Blumensträußen vollkommen und überzeugen mit Schlichtheit und Perfektion. Wie bei anderen Zen-Künsten, darunter die Tee-Zeremonie (sadō) oder Kalligrafie (shodō), bleibt auch beim Blumenweg (kadō), wie Ikebana noch genannt wird, nichts dem Zufall überlassen.
Um die Kunst des Blumensteckens zu erlernen, sollte man nicht nur wissen, welches Zubehör benötigt wird, sondern sich auch mit ihrer kulturellen Bedeutung befassen.
Ursprung, Entwicklung und kulturelle Bedeutung der Blumensteckkunst
Ikebana (生花) bedeutet wörtlich übersetzt „lebende Blumen“ und hat seine Ursprünge im 6. Jahrhundert, als der Buddhismus seinen Weg über China nach Japan fand. Obwohl Ikebana eine Kunstform ist, die in Japan selbst entstanden ist, gelten die buddhistischen Blumenopfer als ihre Vorläufer. Schon bald wurden Blumengestecke auch für dekorative Zwecke verwendet, vor allem von den Adeligen am Kaiserhof der Heian-Zeit (794–1192). Ikebana entwickelte sich zu einer Kunst, die vor allem vom männlichen Adel und Mönchen, später dann von Samurai ausgeübt wurde.
Genau wie etwa die Tee-Zeremonie auch, wurde Ikebana in der Muromachi-Zeit (1333–1568) ritualisiert und genaue Regeln zur Anordnung der Gestecke schriftlich festgehalten. Kadō wurde zu einer Wegkunst des Zen, bei der es darum geht, durch regelmäßige Praxis Vollkommenheit anzustreben. Wichtiger als das Erreichen dieses Ziels ist jedoch die meditative Grundhaltung, die im Laufe der Zeit erlangt wird. Diese ist charakteristisch für alle Zen-Künste und macht auch den Geist des Blumenwegs aus.
Seit der Edo-Zeit (1603-1868) wird Ikebana übrigens zunehmend von Frauen ausgeübt – so erlernen zum Beispiel auch Geishas die Blumenkunst als Teil ihrer Ausbildung. Außerdem konnten sich seitdem erstmals auch Bürgerliche der Ikebana-Praxis zuwenden und die Blumensteckkunst genoss damit eine weitere Verbreitung. Heute gilt Ikebana überwiegend als Kunst der Frauen und ist ein beliebter Zeitvertreib, um im Einklang mit der Natur zu entspannen.
Was macht ein Ikebana-Gesteck aus?
Ikebana-Gestecke zeichnen sich durch ihre Einfachheit aus – niemals wirken sie üppig oder überladen. Im Mittelpunkt stehen meist eine oder mehrere Blumen einer Sorte. Oft handelt es sich zwar um prächtig blühende, leuchtende Blüten, doch dies ist keine Voraussetzung und es können auch Blätter oder Zweige im Vordergrund stehen. Weitere Pflanzen werden asymmetrisch um das Zentrum herum arrangiert. Das Ideal bildet bei der Anordnung das shin-soe-tai-Prinzip, welches je nach Stil unterschiedlich streng befolgt wird. Dieses Prinzip basiert auf den buddhistischen Opferblumen – die verschiedenen Bestandteile des Gestecks sollen Himmel, Erde und Mensch repräsentieren, wobei der Himmel (shin) das Zentrum bildet, darunter steht die Erde (soe) und ganz unter der Mensch (tai).
Beim Ikebana geht es außerdem darum, sich beim Arrangieren der Pflanzen im Einklang mit der Natur zu befinden und dieses Gefühl im eigenen Kunstwerk auszudrücken. Eine wichtige Rolle spielt auch die jeweilige Jahreszeit, die sich vor allem bei der Auswahl der Blumen und Sträucher im Gesteck widerspiegelt.
Die verschiedenen Ikebana-Stile
Im Laufe der Geschichte der Blumensteckkunst haben sich nicht nur zahlreiche mehr oder weniger einflussreiche Schulen entwickelt, sondern auch verschiedene Stile. Die wichtigsten sind:
Rikka: Die strengste Form des Ikebana ist der Rikka-Stil, der sich direkt an den Vorgaben der Opferblumen orientiert. Mit neun Hauptlinien, die nach bestimmten Regeln arrangiert sind, bieten Rikka-Gestecke wenig kreativen Gestaltungsraum. Sie wirken jedoch ziemlich prachtvoll und werden oft für zeremonielle Anlässe verwendet.
Chabana: Chabana bedeutet Teeblume und bezeichnet einen Stil des Ikebana, der speziell für die Teezeremonie entwickelt wurde. Die Gestecke, die im Vergleich zum Rikka einfacher sind und weniger strengen Regeln folgen, schmücken die für Dekorationen gedachte Nische (tokonoma) des Teeraums und orientieren sich an den Gegebenheiten der jeweiligen Zeremonie.
Jiyūka: Das Jiyūka ist die freiste aller Ikebana-Formen, hier sind sogar nicht-pflanzliche Bestandteile erlaubt. Bei Künstlern ist dieser Stil besonders beliebt, da sie ihrer Kreativität hier freien Lauf lassen können, ohne sich an formelle Regeln zu halten.
Es gibt noch einige weitere Stile, darunter zum Beispiel das Shoka als vereinfachtes Rikka. Meist kommt es auf die entsprechende Schule an, welcher Stil des Ikebana vorwiegend gelehrt wird.
Welche Utensilien werden für die Ikebana-Praxis benötigt?
Um ein Ikebana-Gesteck zu kreieren, benötigt man einige wenige Utensilien. Hierzu gehört zunächst die Schale, in der das Gesteck platziert wird. Diese versteckt den kenzan, auf Deutsch Blumenigel. Diesen gibt es in verschiedenen Größen und er kann sowohl rund als auch eckig sein, je nach Form der Schale. Der kenzan gibt den Pflanzen halt und ermöglicht es, sie entsprechend zu arrangieren. Zuletzt wird noch eine Ikebana-Schere benötigt, um die Pflanzen in Form zu bringen und schon kann es los gehen.
Sie möchten Ikebana selbst einmal ausprobieren? Auch in Deutschland gibt es inzwischen Ikebana-Schulen, die Kurse anbieten. Oder Sie nehmen an einem Workshop in einem Kulturbetrieb mit Japanbezug teil. Auch die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Büchern und dem nötigen Zubehör zu Hause ans Werk zu machen, besteht. Sich einmal praktisch mit Ikebana zu beschäftigen ist auf jeden Fall zu empfehlen, da man nicht nur tolle Kunstwerke aus Pflanzen erschaffen, sondern auch wunderbar entspannen und vielleicht sogar in einen meditativen Zustand eintauchen kann.
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