Die Teezeremonie heißt im Japanischen sadō (茶道) oder chanoyu (茶の湯) und wird auch mit „der Weg des Tees“ übersetzt. Diese — meiner Meinung nach — etwas treffendere Übersetzung macht direkt deutlich: Die Teezeremonie ist kein Ereignis, sondern ein Weg, den man beschreitet. Ein Weg, der auch außerhalb vom Teezimmer als eine Art Lebensweg angesehen werden kann. Wer über die Zubereitung eines Matchas hinaus die kulturellen Hintergründe erforschen und den Weg des Tees begehen möchte, mit dem möchte ich gerne meine Erfahrungen darüber teilen, wie ich angefangen habe die japanische Teezeremonie zu lernen.
Ich kam bereits in Deutschland mit der japanischen Teezeremonie in Kontakt, habe in Japan begonnen den Weg des Tees zu beschreiten und verfolge diesen nun seit über vier Jahren auch weiterhin in Deutschland. Die folgenden Tipps und Erfahrungen sind daher an meine persönliche Reise auf dem Teeweg angelehnt.
Der erste Kontakt mit der Teezeremonie
Ein erster Anlaufpunkt, um mit der japanischen Teezeremonie in Kontakt zu kommen, sind japanische Teehäuser — deren Anzahl in Deutschland überraschend groß ist. Zwei der bekanntesten Teehäuser stehen im Englischen Garten in München und im Planten un Blomen in Hamburg. Viele Teehäuser bieten regelmäßige Vorführungen an, die man besuchen kann. Bei einigen Teehäusern findet sogar Teezeremonie-Unterricht statt. Dank der zunehmenden Beliebtheit von Matcha nehmen ebenso die Möglichkeiten zu, eine Teezeremonie abseits von Teehäusern zu erleben. So werden auch immer mehr Vorführungen und Seminare von Museen, Teeläden, Vereinen oder teilweise sogar über Volkshochschulen angeboten. Gerade wenn das nächste Teehaus etwas weiter weg ist, ist es lohnenswert sich dahingehend in der eigenen Umgebung zu informieren. Die eine oder andere Vorführung ist sogar kostenfrei.
Ich hatte den ersten Kontakt mit der japanischen Teezeremonie, nachdem ich knapp ein halbes Jahr regelmäßig Matcha getrunken habe. Zu dieser Zeit hielt ich stets Ausschau nach Möglichkeiten, einmal eine Teezeremonie besuchen zu können. Während eines Stadtfestes in Dresden hatte ich dann endlich die Gelegenheit: Ein Teeladen veranstaltete dort eine öffentliche Teezeremonie. Eine Japanerin demonstrierte den groben Ablauf der Zubereitung und alle Zuschauer durften vom Matcha kosten. Die Ruhe und Konzentration der Zubereiterin mitten im Gewusel des Stadtfestes haben mich damals direkt fasziniert.
Teezeremonie in Japan
Meine nächste Station auf meinem Teeweg befand sich im Ursprungsland der Teezeremonie. In Japan ist das Angebot an Möglichkeiten einer Teezeremonie beizuwohnen natürlicherweise größer als in Deutschland. Traditionelle japanische Gärten, wie beispielsweise der Shukkein-Garten in Hiroshima, bieten hier oft die Möglichkeit im Teehaus einen Matcha samt Wagashi (japanische Süßigkeiten) zu genießen oder gar eine ganze Teezeremonie mitzuerleben. Eine andere Option sind speziell an Touristen gerichtete Angebote. Gerade wenn man keine umfangreichen Japanischkenntnisse hat, bieten sich diese an.
Wer sich etwas länger in Japan aufhält und die japanische Sprache weitestgehend beherrscht, kann die Möglichkeit ergreifen, den Weg des Tees selbst zu beschreiten. Vor allem während eines Auslandjahres an einer japanischen Schule oder Universität hat man hier oft einen Vorteil. Üblicherweise bieten Bildungseinrichtungen kostenlose Freizeit-Clubs an. Dies können Sport-, Sprach- aber auch Kultur-Clubs sein. Unter den letzteren findet man sehr häufig sadōbu (茶道部, „Teezeremonie-Clubs“), denen man beitreten kann. Vereinzelte Firmen bieten ebenfalls Freizeit-Clubs an. Manche Angestellte haben daher Glück und können den gleichen Vorteil über ihre Firma genießen.
Alle, die nicht an Teezeremonie-Club-Aktivitäten teilnehmen können, müssen hier selbst etwas aktiver auf die Suche gehen. Folgendes Stichwort ist dabei sehr nützlich: sadōkyōshitsu (茶道教室, „Teezeremonie-Unterricht“). Ähnlich wie Ikebana- und Kimono-Unterricht ist Teezeremonie-Unterricht sehr beliebt. Während eines Spaziergangs begegnet man daher manchmal Plakaten und Flyern für solchen Unterricht und kann direkt vor Ort nachfragen. Wer unterwegs kein Glück haben sollte, kann auch im Internet suchen. Mit dem Stichwort sadōkyōshitsu (茶道教室) plus dem eigenen Wohnort wird man meistens fündig. Für größere Städte oder Regionen gibt es sogar Listen der beliebtesten Teezeremonie-Kurse.
Da ich an einem Austauschprogramm einer japanischen Universität teilgenommen habe, gab es für mich glücklicherweise die Möglichkeit einen Teezeremonie-Club an der Universität zu besuchen. Die Club-Aktivitäten fanden einmal pro Woche in unserem Clubraum statt. Der mit Tatami ausgelegte Raum wurde von der Universität zur Verfügung gestellt. Eine Teelehrerin von einem nahegelegenen Tempel erklärte und übte mit uns jede Woche die verschiedenen Abläufe nach der Omotesenke-Schule (表千家). Zusätzlich dazu durften wir im Tempel einmal bei einem Teezeremonie-Event aushelfen und in den Sommerferien dort unser gasshuku (合宿, „Feriencamp“) durchführen.
An meiner Universität gab es sogar noch einen zweiten Teezeremonie-Club nach Urasenke-Art (裏千家). Was hat es mit den verschiedenen senke (千家, freiübersetzt „Schulen“) auf sich?
Urasenke oder Omotesenke?
Traditionell gibt es diverse Teeschulen, nach denen man den Weg des Tees lernen kann. Die drei größten sind die Urasenke (裏千家), die Omotesenke (表千家) und die Mushakojisenke (武者小路千家). Alle drei gehen auf Sen no Rikyū (千利休) zurück, der im 16. Jh. die Teezeremonie und die japanische Kultur stark beeinflusste. Neben den drei Hauptschulen gibt es viele weitere Schulen, die sich darüberhinaus entwickelt haben.
Je nach verfügbarem Angebot, muss man sich möglicherweise für eine der Teeschulen entscheiden. Doch was ist der Unterschied zwischen Urasenke, Omotesenke und all den anderen Teeschulen?
Prinzipiell sind die groben Abläufe und Herangehensweisen in allen Teeschulen sehr ähnlich und teilweise sogar identisch, da alle Teeschulen auf Sen no Rikyū zurückgehen. Die Unterschiede liegen hier jeweils in den Details. Die meisten Anfänger würden zunächst womöglich gar nicht bemerken, wenn sie einer Teezeremonie der anderen Schule bewohnen würden. Etwas erfahreneren Teeschülern fällt oftmals als erstes zum Beispiel der Unterschied beim Falten des fukusa (服紗) auf. Dies ist ein Tuch, dass zum symbolischen Reinigen der Utensilien genutzt wird.
Allgemein wird gesagt, dass sich die Urasenke auf die Zufriedenheit des Gasts konzentriert, während der Fokus der Omotesenke auf der Schlichtheit der Teezeremonie liegt. Dies spiegelt sich auch in der Wahl der Utensilien wieder. Bei der Omotesenke werden im Vergleich zur Urasenke eher puristische Utensilien ausgewählt. Beispielsweise kann das bereits erwähnte fukusa in der Urasenke mit Farbverläufen und Ornamenten geschmückt sein, während es bei der Omotesenke immer einfarbig ist.
Kurz gesagt: Trotz allem sind die Unterschiede zwischen den beiden größten Teeschulen — und auch den anderen Teeschulen — sehr fein. Gerade als Anfänger macht es daher keinen Unterschied, für welche Teeschule man sich entscheidet. Ich persönlich habe diese Entscheidung damals sehr pragmatisch getroffen und den Omotesenke-Club gewählt, da dieser besser in meinen Stundenplan gepasst hat.
Teezeremonie in Deutschland
Als ich nach Deutschland zurückkam, war ich mir nicht sicher, ob ich mein neu entdecktes Hobby weiterführen könnte. Doch alle Interessierten werden positiv überrascht sein. Hierzulande gibt es mehrere Vereine und Lehrende, bei denen man den Weg des Tees beschreiten kann. Die Urasenke ist in Deutschland am stärksten vertreten und wird in neun deutschen Großstädten wie München, Berlin, Düsseldorf und Hamburg angeboten. Die Lehrenden nach Omotesenke lassen sich leider etwas schwieriger finden. Eine Lehrerin bietet in Stuttgart regelmäßigen Unterricht an. In Hannover und Berlin bietet der Ueda Sōko Verein Teezeremonie nach einer anderen, unbekannteren Teeschule an. Insgesamt betrachtet, kann man in fast jeder deutschen Großstadt den Weg des Tees beschreiten — allerdings findet man nicht in jeder Großstadt die gleichen Teeschulen. Man muss bei der Wahl der Teeschule also etwas flexibel bleiben.
Falls man keinen Erfolg bei der Suche hat, sind Deutsch-Japanische-Gesellschaften ein weiterer guter Anlaufpunkt, um Teezeremonie-Unterricht zu finden. Diese sind nämlich meistens sehr gut vernetzt. Selbst wenn es in der eigenen Stadt keinen Unterricht geben sollte, kann man über die DJGs am ehesten noch Lehrende in der näheren Umgebung finden.
In meinem Fall hatte ich großes Glück, dass es mich nach meinem Auslandsjahr in Japan nach Stuttgart verschlagen hat, da hier eine der wenigen Omotesenke-Lehrerinnen in Deutschland unterrichtet. In regelmäßigen Abständen findet der Unterricht abwechselnd in den Räumlichkeiten eines Museum und des Bürgerzentrums statt. So beschreite ich den Weg des Tees bis heute und hole mir ein Stück Japan in meinen Alltag nach Deutschland.
Weiterführende Links
Urasenke in Deutschland: http://urasenke.de
Ueda Sōko: https://www.ueda-souko.de
Omotesenke in Stuttgart: https://japan-in-baden-wuerttemberg.de/djg2018/kontakte/kultur/japanische-kulturtechniken/
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