Ogawa Yōko ist im deutschsprachigen Raum bereits bekannt, da zahlreiche ihrer in einer zarten und poetischen Sprache geschriebenen Romane ins Deutsche übersetzt wurden. Nicht umsonst gilt sie „als eine der wichtigsten japanischen Autorinnen der Gegenwart“ (atb 2018).
Zur Handlung
Auch „Zärtliche Klagen“ ist in dem für Ogawa so typischen Stil verfasst. Hauptperson dieses Romans ist Ruriko, die einem ungewöhnlichen Beruf nachgeht – sie hat sich der westlichen Kalligraphie verschrieben. Nachdem Sie vor ihrem untreuen und gewalttätigen Ehemann in ein abgelegenes Landhaus geflüchtet ist, widmet sie sich dort ganz der Transkription der Autobiographie einer alten, englischen Dame. Doch noch immer ist sie tief verletzt und muss mit den Erinnerungen an ihre unglückliche Ehe kämpfen.
In dieser Ausnahmesituation lernt sie ihre Nachbarn Nitta und Kaoru (sowie deren Hund Dona) kennen, mit denen sie fortan einen Großteil ihrer Freizeit verbringt. Nitta ist gelernter Pianist, arbeitet aber als Cembalobauer und Kaoru lässt sich von ihm als sein Lehrling in die Kunst des Cembalobauens einführen, doch die Beziehung der beiden scheint mehr als nur eine Arbeitsbeziehung zu sein. Dennoch fühlt sich auch Ruriko zu Nitta hingezogen und bald kann sie ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren…
Was das Buch lesenswert macht
Ogawa porträtiert ihre Romanfiguren hier in all ihrer menschlichen Schwäche und Verletzlichkeit. Bei diesem Roman hat man das Gefühl, dass die Figuren nur noch von einem dünnen Schleier vor der Unbill der Außenwelt geschützt sind – der aber jeden Moment zerreißen könnte. In anderen Momenten wiederum sind sie sich selbst der schlimmste Feind, während der Klang des Cembalos sie stets begleitet – doch wie der Titel schon sagt, schwingt in den schönen Melodien etwas Anklagendes mit, denn nicht nur Ruriko, sondern auch Kaoru hat etwas Traumatisches erlebt, und Nitta kämpft ebenfalls mit seinen inneren Dämonen. Wie geschickt Ogawa hier mit subtilen Symbolen und Metaphern arbeitet, um die Gefühle ihrer Protagonisten und die Atmosphäre eines Ortes einzufangen, grenzt an Magie.
Als Leser fühlt man sich verzaubert und ist gleichzeitig betroffen ob der Schicksalsschläge, mit denen die Figuren sich auseinandersetzen müssen und darüber, welch tiefe Spuren diese in ihrem Leben und ihrer Seele hinterlassen haben. Ogawa vermittelt uns, dass Liebe durchaus zerstörerisch sein kann.
Fazit
Auch wenn Ogawa den Leser nicht unbedingt mit tröstenden Worten auffängt, sondern ihn vielmehr Rurikos grenzenlose Einsamkeit spüren lässt, lohnt sich die Lektüre dieses Romans vor allem aufgrund der wunderbaren Sprache. Fast hat man als Leser das Gefühl, man könnte den Klang des Cembalos ebenfalls hören: „Die Verzierungen auf dem Cembalo verliehen dem Licht einen goldenen Schimmer, der Kaoru mit einer Aura umgab. Jeder einzelne Ton wurde zwischen uns hindurch bis in den tiefen Wald getragen, der nun ganz im Dunkeln lag.“ (Ogawa 2018, S. 57).
Anm. d. Redaktion: Wie in Japan üblich wird hier der Nachname der Autorin zuerst genannt und die Längung der Vokale berücksichtigt, daher die Abweichung vom deutschen Buchcover.
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