Kaum eine Woche nach meiner Ankunft in Tottori fand ich mich im Rummel des größten Festes der Stadt wieder: dem Shan Shan Matsuri (しゃんしゃん祭). Aus den Geschäften ertönte laut Shan Shan-Musik, ausgelassene Menschen standen vor Veranstaltungsorten in langen Schlangen – dies war keineswegs der abgelegene und verlassene Ort, als den man mir Tottori zuvor beschrieben hatte.
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きなんせ 踊りゃんせ, みんなが待っとるけぇなぁ, きなんせ 踊りゃんせ, 今年も 傘の花が ようけ咲くで.
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„Komm her und lass uns tanzen, alle warten bereits, Komm her und lass uns tanzen, auch dieses Jahr blühen wieder die unzähligen Schirmblumen“, aus dem Song „Shan☆Shan☆Shangri-La“ von Fuji Imayumi.
Die Jahrhunderte alte Tradition des Shan Shan Matsuri-Schirmtanzes basiert auf einer Legende aus der Edo-Zeit (1603-1868). Während einer langen Trockenperiode soll ein Mann namens Gorosaku einen Schirmtanz aufgeführt haben, um Regen von den Göttern zu erbitten. Gorosaku soll bis zum Tode getanzt haben, und die Götter erhörten schließlich sein Gebet und ließen es regnen.
Dieser Tanz, als Ritual über die Jahrhunderte fortgeführt, begründete das Shan Shan Matsuri. Der Name Shan Shan ist lautmalerisch: Er umschreibt das Geräusch, das die kleinen Glöckchen, die an den Schirmen befestigt sind, während des Tanzes machen, und außerdem das Geräusch des sprudelnden Wassers der heißen Quellen, für die Tottori berühmt ist.
Verbindung zum japanischen Totenfest
Zum O-Bon-Fest im August werden in weiten Teilen Japans öffentliche Tänze aufgeführt. Der Shan Shan-Tanz fällt unter die Kategorie Schirmtanz und ist mit jährlich etwa 4000 Teilnehmern der weltweit größte seiner Art.
Die Papier-Schirme, die bei den Tänzen genutzt werden, haben eine besondere Kolorierung, bei der jeden Farbe eine Bedeutung hat. Rot und Weiß außen stehen für die Sanddünen Tottoris, Gold bedeutet Wohlstand, Blau steht für das Japanische Meer, dessen Küsten nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt sind, Silber steht für Fische, die aus einem Fluss springen, und das innere Weiß symbolisiert Gorosakus Gebet für Regen.
Die Tanz-Parade findet am Wochenende auf der Hauptstraße von Tottori für mehrere Stunden statt. Es wird fast ununterbrochen getanzt. Die Tänze, wie sie heute zu sehen sind, werden seit den 1970ern aufgeführt. Zwei Lieder werden immer wieder gespielt: Ein eher traditionelles Lied, bei dem alle Teilnehmer denselben Tanz aufführen, und ein moderner, peppiger Song mit dem Titel „Shan Shan Shangri-La“ (ein Wortspiel aus dem Namen des Festivals und der Bezeichnung für einen paradiesischen Ort, wie ihn der Schriftsteller James Hilton beschreibt), zu dem jede Gruppe einen selbst choreografierten Tanz vorführt.
Die Gruppen sind bunt zusammengewürfelt, Männer, Frauen, alte Altersstufen. Egal, wen ich bisher gefragt habe – jeder “Tottorianer” hat bereits als Kind an den Tänzen teilgenommen! Die Tanzgruppen entspringen den unterschiedlichsten Bereichen (Universität, Arbeitsplatz, Schulen…). Und auch Unerfahrene finden schnell Anschluss: Mitmachen darf jeder! Und natürlich zeigen die Einheimischen ihren Gästen gerne, wie getanzt wird. Durch die ständige Wiederholung der Tänze während der großen Umzüge hat man genug Zeit, sich den Rhythmus einzuverleiben.
Und nicht nur die Umzüge sind eine Attraktion: Während der Festzeit gibt es überall in Tottori Auftritte und Events verschiedenster Art – von Konzerten über Vorträge bis hin zum selbstgemachten Papierschirm.
Und wo war ich während der Festlichkeiten?
Durch gewisse Fügungen durfte ich die Zeit auf dem Yagura (ein offener Holzturm, um den die Parade brandet) verbringen und von dort aus die Tänze genießen – und natürlich die Taiko-Trommel spielen! Definitiv der beste Platz für diesen Anlass!
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