Mit dem „Japan Exchange and Teaching Programme“ (JET) werden jährlich mehrere junge Hochschulabsolventen aus Deutschland nach Japan geschickt, um dort den internationalen Austausch auf lokaler Ebene zu fördern. Sie arbeiten auf den örtlichen Rathäusern oder als Sprachlehrerinnen und –lehrer. Gefördert wird das Programm vom japanischen Staat. Es genießt international hohes Ansehen. Für JAPANDIGEST berichten die jungen Deutschen über ihre Erfahrungen als JETs.
Vorstellung: Marie in Tottori
Tottori? Noch nie gehört!” Das war die allgemeine Reaktion, wenn ich Freunden von meinem neuen Wohnort berichtete. Auch unter Japanern ist Tottori allerhöchstens als inaka (provinziell, ländlich) bekannt.
Die Stadt Tottori hat etwa 192 000 Einwohner, auch wenn diese Zahl wegen Überalterung sowie einem Mangel an Arbeitsplätzen für junge Leute leider seit Jahren zurückgeht. Wegen dieser Probleme ist die gleichnamige Präfektur Tottori die Präfektur Japans mit den wenigsten Einwohnern. Dafür sind jedoch Themen wie „Verjüngung“ und „Verschönerung“ sehr präsent.
Tottori gehört zur San’in-Region, die wiederum Teil der Chūgoku-Region ist. Aufgrund der Lage direkt zwischen Meer und Bergen fällt in Tottori relativ viel Regen und im Winter auch einiges an Schnee, obwohl die Temperaturen fast nie unter 0 Grad sinken – ein Paradies für Wanderer und Abenteurer. Im Sommer ist es heiß und schwül, und die Temperaturen übersteigen wochenlang 30 und teilweise 35 Grad. Im Gegenzug liegt Tottori für japanische Verhältnisse recht geschützt vor Taifunen – und bis Oktober 2016 auch vor Erdbeben.
Die Stadt Tottori ist berühmt für die größten Sanddünen Japans und außerdem Teil des San‘in-Kaigan-Geoparks. Ob Fahrradtouren, Yoga, Illuminationen oder Kamelritte – das Potenzial der Dünen und der umliegenden Landschaft wird zu jeder Jahreszeit genutzt. Wer sich an den glatten Sandflächen sattgesehen hat, begibt sich ins nebenan gelegene Sand Museum zur jährlich wechselnden Ausstellung der Statuen aus Sand. Übrigens war das Thema der Ausstellung 2015 Deutschland!
Im kulinarischen Bereich sind Nashi-Birnen zu nennen. Zwischen August und Oktober führt an den Nashi kein Weg vorbei. Ob am Bahnhof, in den Souvenir-Shops oder auf der Straße – wohin man auch geht, man bekommt die süßen Früchte überall in die Hand gedrückt. Auch für Schneekrabben und Schalotten ist Tottori bekannt. Das wichtigste Fest ist das jährlich im August stattfindende Shan Shan Matsuri, bei dem auf der Hauptstraße 3000 bis 4000 Menschen gleichzeitig traditionelle Schirmtänze aufführen.
Und wie bin ich jetzt hier gelandet?
Dass es hier eine Stelle für Koordinatoren für Internationale Beziehungen des JET-Programms gibt, begründet sich auf der Städtepartnerschaft zwischen Tottori und Hanau. Diese wurde 2001 offiziell beschlossen, die Beziehungen gehen jedoch bis 1989 zurück. Erste Kontakte wurden bei der in Tottori stattfindenden Welt-Spielzeug-Ausstellung geknüpft. Nachdem 1995 das neue Warabekan (Spielzeugmuseum) in Tottori und das Hessische Puppenmuseum eine Museumspartnerschaft eingingen, folgten diverse andere Institutionen sowie Freundschaftsvereine in beiden Städten, und letztlich 2001 auch die offizielle Städtepartnerschaft.
Und hier komme ich ins Spiel.
Nach meinem Bachelor der Japanologie und 2 Jahren Erfahrung in japanischen Unternehmen wagte ich erneut den Sprung nach Japan. Innerhalb der Kultur- und Austauschdivision im Rathaus Tottori übernehme ich verschiedenste Aufgaben vom Dolmetschen und Übersetzten bis hin zu Vorträgen an Gemeindezentren, Grundschulen sowie Sprachkurse, Eventgestaltung und Korrespondenz mit Deutschland.
Meine Freizeit verbringe ich meistens beim Training oder Auftritten mit meiner Taiko-Trommel-Gruppe, der ich gleich zu Beginn meiner Anstellung beigetreten bin. Wenn ich nicht gerade in unserer Trainingshalle anzutreffen bin, findet man mich meist in Eirakuonsen-chō, dem Bar- und Szeneviertel Tottoris. Außerdem bin ich oft beim Karaoke und esse gerne Yakiniku.
Persönlich konnte ich mich noch nie für japanische Großstädte begeistern – Reisfelder, alte Holzhäuser, zerfallene Schreine, tiefe Wälder und das Meer waren für mich schon immer die größten Anziehungspunkte Japans. Vielleicht romantisiere ich auch – aber in Tottori fand ich eben genau den Teil Japans, den ich in Tōkyō oder Ōsaka vergebens gesucht hatte.”
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