Wenn Sie an die japanische Arbeitskultur denken, fällt Ihnen womöglich auch das Bild der anzugtragenden Firmenangestellten ein, die sich in die U-Bahnen der Großstädte quetschen. Während es bis zur Jahrtausendwende noch üblich war, selbst im Sommer mit Krawatte und Jackett am Arbeitsplatz zu erscheinen, haben sich diese Regeln mittlerweile etwas gelockert. 2005 startete die damalige Umweltministerin (und heutige Gouverneurin der Präfektur Tōkyō) Koike Yuriko die Umweltkampagne „Cool Biz“ (kūru bizu), eine Abkürzung für „Cool Business“. Die Kampagne ist eine Empfehlung, die vorsieht, im Rahmen des Klimaschutzes die Zimmertemperatur am Arbeitsplatz in den Sommermonaten Juni bis September nicht mehr so stark herunterzukühlen. Um dies zu ermöglichen, wurden die Firmen angewiesen ihre Kleidungsregeln zu lockern und den Angestellten zu erlauben im kurzärmligen Hemd ohne Krawatte zu arbeiten, bei dem der erste Knopf von oben geöffnet sein darf.
Uns mögen diese Regelungen vielleicht immer noch streng erscheinen, doch für viele Japaner:innen sind sie eine große Erleichterung. Auch bei uns zählt es zum gesunden Menschenverstand, die wichtigen Geschäftspartner:innen nicht in Jogginghose zu begrüßen. Allerdings wird ein gepflegtes Äußeres in Japan ganz besonders großgeschrieben. Während man modische Kleidung lieber im Privatleben trägt, sollte man am Arbeitsplatz bestimmte Regeln befolgen.
Pfeiler 2: Ein gepflegtes Äußeres (midashinami)
Der zweite Pfeiler des Konzepts des guten Eindrucks ist das gepflegte Äußere (midashinami). Dessen Regeln basieren auf dem Gedanken, dass man als Angestellte:r als Aushängeschild der Firma fungiert. Das Bild, das man nach außen vermittelt, entspricht dem Bild, das die Geschäftspartner:innen von der eigenen Firma bekommen.
Die vier Leitsätze eines gepflegten Äußeren:
- Sauberkeit und ein reinlicher Eindruck sind das Wichtigste.
Anzug, Kostüm, Hemd und Bluse sind gebügelt. Die Haare sind frisch geschnitten und ordentlich frisiert.
- Funktionalität wird großgeschrieben.
Kleidung und Schuhe passen und die Frisur sitzt, sodass man genug Komfort und Bewegungsfreiheit hat, sich vollkommen auf die Arbeit zu konzentrieren.
- Ein gesundes Äußeres ist wichtig.
Ist die Kleidung zerknickt, verschlissen oder gar fleckig wird ein ungesundes Bild vermittelt. Die äußerliche Perfektion unterstützt den Eindruck der Gesundheit der Person.
- Sich zurücknehmen ist das A und O.
Es geht nicht um den eigenen Kleidungsstil, sondern darum wie man vom Gegenüber als Aushängeschild der Firma wahrgenommen wird.
Checkliste für ein gepflegtes Äußeres
Darüber hinaus bekommen Universitätsabsolvent:innen, die einen Business-Kurs besuchen, Checklisten an die Hand:
Haare
Bei Männern berühren die Haare nicht den Kragen und der Pony nicht die Augenbrauen. Die Haare sind gepflegt, aber es wird auch nicht mit zu viel Haargel gearbeitet. Außerdem sind die Haare nicht gefärbt. Auch bei Frauen ist der Pony nicht zu lang, damit das Gesicht und dessen Ausdruck gut zu sehen sind. Lange Haare werden mit einer schlichten Haarspange zusammengebunden und die Haare haben eine natürliche Haarfarbe. Bei Frauen bedeutet das, das dunkle Brauntöne ebenfalls noch akzeptabel sind. Außerdem sollen die Haare nicht angefasst werden, da das als unhygienisch gilt.
Gesicht
Männer sind rasiert – Bärte und Schnurrbärte sind nicht gern gesehen. Saubere Ohren, haarfreie Nasenlöcher und ein frischer Atem sind ebenfalls wichtig. Frauen erscheinen nicht ohne Make-Up am Arbeitsplatz, sondern sind dezent geschminkt. Alle achten bei der Wahl des Brillengestells auf seine Business-Tauglichkeit – oder tragen Kontaktlinsen.
Hände
Die Nägel sind nicht schmutzig und nicht zu lang. Frauen achten außerdem auf eine natürliche Farbe beim Nagellack.
Füße
Bei Männern liegen die Socken eng an. Die Farbpalette ist auf Schwarz, Dunkelblau und Braun begrenzt. Außerdem sind auffällige Muster unerwünscht. Frauen tragen Strumpfhosen in neutralen Farben, die eng anliegen und keine Laufmaschen haben. Für alle gilt außerdem: Die Schuhe haben ein einfaches Design und sind poliert.
Kleidung
Kleidung ist sauber und faltenfrei. Sie soll außerdem gut passen. Bei Männern sitzt die Krawatte gut und das Unterhemd wird so gewählt, dass es nicht unter weißen Hemden durchscheint. Außerdem wird eine Uhr in passendem Design getragen. Die Taschen von Hose, Hemd und Jackett bleiben leer oder werden wenigstens nicht überfüllt. Frauen tragen, wenn überhaupt, schlichte Accessoires. Es wird höchstens ein Ring pro Hand getragen, und zwar ohne Edelsteinbesatz. Außerdem wird kein Parfüm getragen, um die Mitmenschen nicht zu belästigen.
Während einige dieser Regeln wie das Natürlichste auf der Welt klingen, sind andere doch sehr überraschend. Auch ist es wichtig zu betonen, dass diese nur einen Leitfaden darstellen. In Japan gibt es verschiedene Firmenkulturen und einen Wandel der Generationen. Trotzdem halten sich auch heute noch viele Japaner:innen an die Regeln des midashinami.
Weitere Informationen zu Äußerlichkeiten in Japan finden Sie hier:
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