Bahnfahren in Japan kann eine richtige Herausforderung sein, vor allem in Großstädten wie Tōkyō: Die vielen Schilder, der komplexe Ticketkauf, das scheinbar unübersichtliche Liniennetz oder die Navigation zu den Ausgängen lassen Japan-Neulinge oft verzweifeln. Aber keine Sorge: In diesem Guide zeigen wir Ihnen alles Wichtige, das Sie über das Bahnfahren im Land der aufgehenden Sonne wissen sollten. Am Ende finden Sie auch eine Liste mit nützlichen Vokabeln zum Thema!
1. Am Bahnhof
Etwas anders als in Deutschland richten sich die Preise für Zugtickets nach der Entfernung zwischen dem Start- und Zielbahnhof. Eine einfache Fahrt zur nächsten Station kostet daher oftmals zwischen 100 und 150 Yen (um die 1 Euro). Je größer die Entfernung, desto teurer die Fahrt.
Bei den Ticketautomaten finden Sie in der Regel eine große Karte des Liniennetzes, die verschiedenen Farben der Linien stehen jeweils für eine andere Linie (die JR Yamanote-Linie z. B. wird stets mit hellgrün markiert). An den jeweiligen Stationen sehen Sie den Betrag, den eine Fahrt zu dieser Station kostet. Am Ticketautomaten wählen Sie also, statt des Zielbahnhofs, den Betrag aus, den die Fahrt zu diesem Bahnhof kostet. Wenn Sie Ihr Ticket ausgewählt haben (in der Regel ist ein englisches Menü verfügbar), bezahlen Sie es bar und erhalten ein kleines, dickes Papierticket, das Sie bis zum Ende der Fahrt unbedingt sicher aufbewahren sollten.
Achtung am Ticket Gate!
Um zu den Gleisen zu gelangen, müssen alle Reisenden ein Ticket Gate, das sogenannte kaisatsu guchi, passieren. Schieben Sie Ihr Papierticket in den dafür vorgesehenen Schlitz, damit sich die Schranken öffnen. Auf der anderen Seite wird das Papierticket wieder ausgegeben, vergessen Sie also auf keinen Fall es wieder einzustecken!
Die meisten Menschen in Japan nutzen für Zugreisen eine sogenannte IC Card. Das ist eine elektronische Prepaid-Karte, mit der man mit Bus und Bahn reisen kann. Mittlerweile hat sie sich aber als kontaktlose und praktische Bezahlmethode in vielen Lebensbereichen, etwa im Convenience Store oder an Getränkeautomaten, etabliert. Die IC Card kann an den meisten Ticketautomaten am Bahnhof aufgeladen werden. Um das Ticket Gate zu passieren, halten Sie die Karte an das vorgesehene Panel und die Schranken öffnen sich. Bekannte IC Cards sind Suica, PASMO und Icoca. Nicht alle sind überregional gültig, achten Sie also besonders auf Reisen darauf, ob Sie die richtige IC Card besitzen oder auf ein Papierticket zurückgreifen müssen.
Ist z. B. nicht genug Guthaben auf der Karte vorhanden, wird ein ungültiges Ticket verwendet oder versucht, ohne Fahrkarte/IC Card das Ticket Gate zu passieren, ertönt ein lautes Geräusch und die Schranken blockieren. Treten Sie in diesem Falle schnell zur Seite, um die anderen Passagiere hinter Ihnen nicht zu behindern.
Haben Sie die Schranken passiert, können Sie zum Gleis gehen. Achtung auf Rolltreppen: In Japan stehen die Menschen stets auf einer Seite, während die andere Seite freigelassen wird. Auf diese Weise kann man auf den Rolltreppen auch laufen, ohne von anderen behindert zu werden. Reihen Sie sich also stets hintereinander ein und blockieren Sie nicht die Laufwege.
2. Am Bahnsteig
Am Bahnsteig dienen die markanten gelben Markierungen sowohl als Sicherheitslinie als auch als Orientierungshilfe für Sehbehinderte. Bleiben Sie aus Sicherheitsgründen stets hinter der gelben Linie. Darüber hinaus befinden sich auf dem Boden diverse Linien und Hinweise: Diese zeigen an, an welcher Stelle welche Waggontür des Zuges halten wird – japanische Züge fahren stets so genau ein, dass sie die Markierungen oft nur um wenige Zentimeter verfehlen!
Die Markierungen am Boden sowie an den Waggontüren zeigen weiterhin an, ob sich dort Behindertenplätze befinden oder es sich um sog. Women Only Cars handelt (mehr dazu in Punkt 3).
An manchen, besonders engen Stationen, insbesondere in der Tōkyōter U-Bahn oder beim Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug, werden die Gleise zusätzlich von hohen Mauern abgetrennt, die dort, wo die Waggontüren zum Stehen kommen, über automatische Schranken verfügen. Diese dienen als Schutzmaßnahme während der Rushhour morgens und abends, damit die Fahrgäste nicht auf die Gleise fallen. Einige Stationen können zu dieser Zeit nämlich mehr als brechend voll werden!
Nicht vordrängeln!
Da man vorher genau weiß, wo der Zug zum Halten kommen wird, ist es üblich, sich an den jeweiligen Markierungen in Zweier- oder Dreier-Reihen anzustellen, statt – etwa wie in Deutschland – beliebig am Bahnsteig auf den Zug zu warten. Wenn der Zug einfährt, lassen Sie erst die Passagiere aussteigen und steigen dann der Reihe nach in den Zug ein. Es gilt als extrem unhöflich, sich vorzudrängeln oder beim Einsteigen seitlich der Waggontüren zu stehen!
Das Rauchen am Bahnsteig ist, wenn überhaupt, nur in den ausgewiesenen Raucherbereichen gestattet.
Ein Gleis, eine Linie
In Japan wird ein Gleis/Bahnsteig in der Regel von derselben Linie angefahren. Dementsprechend kommt es quasi niemals zu plötzlichen Gleiswechseln, was die Navigation gerade an größeren Bahnhöfen durchaus angenehmer gestaltet, da man nur nach den Schildern der entsprechenden Linie suchen muss. Wichtiger ist zu wissen, in welche Richtung man will – da kann es schon einmal zu Verwechslungen kommen, wenn man zwar am Gleis der richtigen Linie steht, aber in die Gegenrichtung einsteigt. Merken Sie sich den Namen der Linie, die Endstation des Zuges, in den Sie einsteigen möchten, und natürlich Ihren Zielbahnhof.
Sich die Endstation zu merken ist wichtig, denn nicht jeder Zug einer Linie hält immer an denselben Stationen, End- sowie Zwischenstation variieren je nach Abfahrtszeit sowie Art des Zuges. In Japan werden diese Zugarten (zusätzlich zum Shinkansen) unterschieden:
Name | Name (Japanisch) | Art |
Limited Express | tokkyū (特急) | Limited Express-Züge halten nur an großen/frequentierten Stationen und sind schneller als andere Zug-Arten (mit Ausnahme des Shinkansen), verlangen jedoch eine Extragebühr zum normalen Ticketpreis. Eine günstigere Alternative zum Shinkansen. |
Express | kyūkō (急行) | Halten an mehr Stationen als Limited Express-Züge, brauchen dafür etwas länger für die gleiche Strecke. Verlangen keine Extragebühr mehr. |
Rapid | kaisoku (快速) | Halten an mehr Stationen als Express-Züge, brauchen dafür etwas länger für die gleiche Strecke. |
Local | futsū / kakueki teisha (普通 / 各駅停車) | Die langsamste Art der Züge, sie halten an jeder Station auf der Strecke. |
3. In der Bahn
Laute Musik und Gespräche sowie das Telefonieren während der Fahrt gelten als unhöflich und sollten vermieden werden. Es gehört zudem zum guten Ton sein Handy auf lautlos zu schalten. Essen und Trinken (insbesondere Alkohol) sind ebenfalls ungern gesehen. Eine Ausnahme bildet der Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug. Dort dürfen Sie Ihre Speisen in Ruhe verzehren – am besten holen Sie sich passend dazu eine leckere ekiben-Lunchbox, die an Bahnhofskiosken verkauft werden!
Verstauen Sie Ihr Gepäck entweder auf dem Schoß, zwischen den Beinen auf dem Boden oder auf den Gepäckablagen, um die anderen Reisenden nicht zu belästigen. Legen Sie Ihr Gepäck nicht auf den Sitzen ab!
Besondere Waggons und Sitzplätze
Alle Züge verfügen, meist am Anfang bzw. Ende eines Waggons über sogenannte Priority Seats. Diese sind entsprechend markiert und haben manchmal eine andere Polsterfarbe als die übrigen Sitze. Sie sind für Reisende mit Behinderung, Schwangere oder Senior:innen vorgesehen. Bieten Sie diese Plätze gerne bedürftigen Mitmenschen an, wenn Sie können – gerade wenn die Bahn sehr voll ist.
Viele Bahnlinien, insbesondere die gut frequentierten, weisen zu festgelegten Zeiten (meist werktags während der Rushhour morgens und abends) bestimmte Waggons als sogenannte Women Only Cars aus. Diese Waggons, markiert durch ein entsprechendes pinkes Schild, sind in der Regel nur weiblichen Fahrgästen vorbehalten. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme zum Schutz der Frauen vor sexueller Belästigung, die in Japan gerade in überfüllten Zügen sehr häufig vorkommt.
Achten Sie auf die Hinweisschilder an den Zügen und auf dem Boden und halten Sie sich an die entsprechenden Regelungen. Einige Bahngesellschaften ermöglichen auch Jungen, Pflegepersonal bzw. pflegenden Angehörigen sowie körperlich oder geistig eingeschränkten Personen den Zutritt, sofern sie in weiblicher Begleitung sind.
4. Nach der Ankunft
Am Zielbahnhof angekommen müssen Sie noch einmal ein Ticket Gate passieren, um diesen zu verlassen. IC Cards werden wie zuvor auch am Panel gescannt, Papiertickets in den Schlitz gesteckt. Dieses Mal werden diese nach dem Passieren allerdings einbehalten. Auch hier ertönt ein lauter Ton und die Schranken blockieren, wenn ein falsches Ticket eingeführt wird oder die IC Card nicht über genug Guthaben für die zurückgelegte Strecke verfügt. In diesem Falle treten Sie schnell zur Seite – IC Cards können bei den nahegelegenen Ticket-Automaten aufgeladen werden.
Keine Sorge, wenn etwas nicht klappt: Bei den Ticket Gates befindet sich eine Kabine, in der sich das Bahnpersonal aufhält und bei Problemen behilflich ist.
Nützliches Vokabular
Begriff | Schriftzeichen | Lesung |
Zug | 電車/列車 | densha/ressha |
U-Bahn | 地下鉄 | chikatetsu |
Bahnhof | 駅 | eki |
Eingang | 入口 | iriguchi |
Ausgang | 出口 | deguchi |
(Zug-)Ticket | 切符 oder きっぷ | kippu |
Ticket Gate | 改札口 | kaisatsu guchi |
Bahnsteig/Gleis | ホーム oder XX番線 | hōmu oder XX-bansen |
Priority Seat | 優先席 | yūsenseki |
Women Only Car | 女性専用車 | josei senyōsha |
Abfahrt (des Zuges) | 発車 | hassha |
Ankunft | 到着 | tōchaku |
Dieser Artikel erschien in gekürzter Form in der JAPANDIGEST September 2022-Printausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
Kommentare