Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum es auf der Welt hauptsächlich zwei Bezeichnungen für Tee gibt? Ähnlich wie im Deutschen heißt er auf Englisch tea, auf Französisch thé, auf Indonesisch teh. Im Japanischen (wie auch auf Chinesisch und Koreanisch) heißt er cha, was dem slovenischen/tschechischen čaj und dem bengalischen cā ähnelt.
Aus China in die Welt
Schon im 7. Jahrhundert soll der Tee, samt seiner Bezeichnung cha, aus Südchina über die sogenannte Tee-Pferde-Straße bis nach Osteuropa gebracht worden sein. Im 16. Jahrhundert kamen die ersten Europäer mit Segelschiffen nach Ostasien, um Handel zu treiben. Der Tee wurde vom damals größten Hafen Chinas, Amoy (heute Xiamen), nach Europa exportiert. Allerdings wurde er im Amoy-Dialekt te genannt, sodass auch diese Bezeichnung über den Seeweg nach Europa fand.
Allgemein bekannt ist die Geschichte, dass der Zen-Priester Eisai im 12. Jahrhundert die Kultur des Teetrinkens aus Südchina nach Japan gebracht hat. Den regen Austausch mit dem Kontinent ab dem 7. Jahrhundert bedenkend, war der Tee zumindest in gehobenen Kreisen wohl aber viel früher bekannt. Seit dem 17. Jahrhundert etablierte sich Tee in Japan als Alltagsgetränk und noch heute konsumiert man ihn dort von morgens bis abends, ohne ihn als Genussmittel bewusst wahrzunehmen. Das Getränk ist in Japan fast wie die Luft zum Atmen: etwas Natürliches, das man unbewusst zu sich nimmt. Seither nimmt der Tee auch in der japanischen Sprache eine stets präsente Rolle ein.
Tee in der Alltagssprache
„Mucha suru na!“ hört man, wenn man etwas Unerhörtes vorhat. Mucha 無茶 bedeutet wörtlich „kein Tee“ und meint hier etwas so Unmögliches, wie einem Gast nicht einmal eine Tasse Tee anzubieten. Wenn man noch kucha 苦茶 (bitterer Tee) anhängt und so das Wort muchakucha 無茶苦茶 bildet, kann dies nichts anderes als Verrücktheit bzw. Chaos bedeuten. Eine Steigerung davon lautet mechakucha 滅茶苦茶, was wörtlich „vernichtender und bitterer Tee“ bedeutet. Davon wurde der Jugendjargon meccha メッチャ abgeleitet, was mit „mega-, irre- bzw. super-“ übersetzt werden kann. Wer „meccha yabai (Megacool!)“ ruft, outet mit diesen Worten seine tiefe Verbundenheit mit der japanischen Tradition.
Vielleicht haben Sie schon einmal gehört, wie eine japanische Mutter ihr Töchterchen ochame-san nennt. Dies ist eine liebevolle Bezeichnung für ein Mädchen, das etwas Lustiges anstellt. Chame wird 茶目 geschrieben, also mit dem Kanji für Tee. Cha kommt in diesem Fall von chari 茶利, was im Kansai-Dialekt Spaßvogel heißt. Deshalb werden komödiantische Sketches im traditionellen Theater auch chaban 茶番 genannt.
Sprüche rund um das Teetrinken sind in Japan manchmal so kompliziert wie die Teezeremonie selbst. So bedeutet die Phrase ocha ni suru (wörtl. Tee machen) nichts anderes als „eine Teepause einlegen“. Die abgekürzte Form ocha suru bekundet dagegen das eigene Interesse, mit einer bestimmten Person ins Café zu gehen. Intime Freunde, mit denen man sich Tee trinkend lange unterhalten kann, nennt man chanomi tomodachi (Tee trinkende Freunde). Die Frage „Ocha (ni) shinai?“ kann zwar eine Übersetzung von „Wollen wir mal eine Pause einlegen und Tee trinken?“ sein, wird aber häufig als Anmachspruch verwendet.
Cha ni suru, also ohne das Höflichkeitspräfix „o“, bedeutet hingegen, die Meinung des Gesprächspartners zu ignorieren, in dem Sinne, dass man nur Tee trinkt, ohne dabei ernsthaft zu diskutieren. Die davon abgeleitete Form chakasu 茶化す heißt ferner, die Meinung des Gegenübers lächerlich zu machen. Chacha o ireru 茶々 を入れる (Tee einschenken) meint es auch nicht besser mit dem Gesprächspartner und bedeutet, dass dieser unterbrochen wird. Ocha o nigosu お茶を濁す (den Tee trüben) kommt von der Teezeremonie. Der Ausdruck bezieht sich darauf, dass ein Laie versucht, den klaren grünen Tee durch einen Trick trüb wie Matcha aussehen zu lassen. Deshalb versteht man darunter, dass etwas durch zweideutige bzw. unwahre Behauptungen vertuscht wird.
Edo-zeitliche Phrasen mit Tee
Inzwischen etwas veraltet, waren diese nicht minder interessanten Phrasen bis in die Shōwa-Zeit im Alltag zu hören.
Ocha no ko saisai お茶の子さいさい
Sehr leicht/einfach (wörtlich und übertragen). Ocha no ko nennt man entweder die Süßigkeit, die man bei der Teezeremonie zuerst serviert bekommt. Es kann aber auch eine Art Tee-Suppe mit Gemüse, Kartoffeln oder Bohnen, also etwas Leichtverdauliches, gemeint sein.
Heso ga cha o wakasu 臍が茶を沸かす
„Der Nabel kocht den Tee.“ Damit wird etwas Urkomisches und Lächerliches bezeichnet, mit einem etwas verachtenden Beigeschmack. Der Ausdruck soll von der Phrase „onaka ga yojireru hodo warau“ kommen. Diese bedeutet: lachen bis der Bauch verdreht wird und gar so weh tut, sodass man auf dem dampfenden Nabel sogar Tee kochen könnte.
Chabashira ga tatsu 茶柱が立つ
Aufrecht schwimmende Teestiele. Ein chabashira, der Stiel eines Teeblattes, steht senkrecht im Tee und sieht so wie ein daikokubashira 大黒柱 (Hauptstützpfeiler eines Gebäudes) aus. Er soll daher großes Glück bringen.
Oni mo jūhachi, bancha mo debana 鬼も十八、番茶も出花
„Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.“ Diese Redewendung ist heute nur noch
mit Vorsicht zu genießen: Der Spruch besagt nämlich, dass sogar ein oni (hässliches Mädchen), wenn es 18 wird, auch hübsch sein kann. Genauso wie der bancha, ein durch die zweite bzw. dritte Ernte gewonnener günstiger Alltagstee, wenn er frisch aufgegossen wird, auch schön duften kann. Nutzen Sie diesen Spruch auf keinen Fall als Kompliment für Ihre Bekannten. Sonst kommt es womöglich zu „watta chawan o tsuide miru 割った茶碗を接いでみる“, dem „erfolglosen Versuch, die kaputte Teetasse zu reparieren“ – dem irreparablen Bruch Ihrer Beziehung.
Dieser Artikel erschien in der Juli-Ausgabe des JAPANDIGEST 2019 und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
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