Es gibt viel zu viele Kanji um sie alle im Kopf zu bewahren! So empfinde ich es zumindest, wenn ich an meine mehrjährige Japanisch-Lernerfahrung denke. Seltene Anwendungsmöglichkeiten und Monotonie beim Auswendiglernen machen es nicht unbedingt leichter. Mit ein paar Tipps jedoch wird noch jeder Kanji-Lernalltag aufgepeppt!
Mühseliges Kanji-Lernen
Ich habe endlose Karteikarten mit Strichfolgen übersät. Zahllose Vokabellisten mit Lesungen erstellt. 1.500 Kanji mühsam im Kopf abgespeichert. Trotz allem kann ich bei weitem nicht so gut Japanisch lesen, wie für mein Selbstbewusstsein als bekennende Streberin gut wäre. Ans Herz gewachsen sind mir die Kanji trotzdem!
Lernen Sie Japanisch, seien Sie sich bewusst: Der zeitliche Aufwand wird nicht selten von einem emotionalen überschattet. Sie lernen nicht nur Grammatik und Vokabeln, sondern auch ein neues Schriftsystem. Die beiden schnell gemerkten Silbenalphabete Hiragana und Katakana werden berghoch von den Kanji übertürmt.
Sie sollten etwa 2.000 dieser chinesischen Schriftzeichen beherrschen, um allgemeine Literatur und Zeitungen lesen zu können. Das Problem: Verwenden Sie die gelernten Kanji nicht regelmäßig und aktiv, geraten diese schnell in Vergessenheit.
Kreative Lernstrategien
Nichts gegen stures Abschreiben, auch bei Kanji ist dies eine bewährte Lernmethode. Schreiben Sie allerdings gerade das zehnte Heft mit den immer selben Kanji voll, ist die Frustration nicht weit. Wegen einer Sache würde ich dennoch niemals aufgeben, Kanji zu lernen: Das kreative Lernen, das die Kanji ermöglichen!
Betrachten wir einmal das Herz: Die einzelnen Buchstaben des Wortes tragen keinen Inhalt. Der große Bedeutungunterschied zwischen Herz und Harz steckt wohl nicht in einem kleinen Vokal. Und auf Japanisch? Das Schriftzeichen für kokoro 心 ist ein Piktogramm, das ursprünglich vermutlich die anatomische Darstellung des Organs verbildlichte.
Viel mehr als im Deutschen basieren im Japanischen abstrakte Begriffe auf bildlich Darstellbarem oder körperlich Fassbarem. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie sind peinlich berührt. Das Blut steigt Ihnen zu Kopf und der Schlag Ihres Herzens 心 ist im Ohr 耳 zu hören. Das zugehörige Kanji für Scham 恥 setzt sich zusammen aus Ohr 耳 und Herz 心. Das ist gut zu merken, oder?
Übrigens, das Japanische und das Deutsche haben eine interessante Gemeinsamkeit: In beiden Sprachen wird die Scham euphemistisch für die menschlichen Geschlechtsteile verwendet. Doch zurück zum Thema!
Kleine Helfer: Die Radikale
Als Radikal (die bedeutungsgebende Einheit der Kanji) steckt 心 auch in vielen anderen Kanji, die oft, aber (leider!) nicht ausschließlich mit Gefühlen zu tun haben. Lernen Sie Japanisch, können Sie sich bis zu einem gewissen Punkt gut an den einzelnen Bausteinen orientieren, um eine Bedeutung zu erahnen. Lesen Sie einen japanischen Text, reicht dies manchmal, um den Kontext zu verstehen.
Es gibt viele Strategien beim Lernen der Kanji, die sowohl kreative Köpfe als auch Theoretiker inspirieren. Nutzen Sie Eselsbrücken und Merkhilfen, um Ihrem Gehirn bei langem Lernen etwas Abwechslung zu verschaffen. Und: Tauschen Sie sich mit Gleichgesinnten aus – die Ideen Anderer sind eine unschlagbare Ressource, fällt Ihnen partout nichts ein.
Praktischer Tipp: Kanji zum Mitnehmen
Auf welche Art Sie am erfolgreichsten lernen mögen – nutzen Sie “verlorene Zeit” unterwegs zum Lernen: Drucken Sie zum Beispiel Kanji-Karten aus, und werfen Sie in der U-Bahn, in der Supermarkt-Schlange oder in der Mittagspause einen Blick darauf: Wer weiß, wann die Inspiration Sie trifft – vielleicht merken Sie sich so endlich das eine Kanji, dass Sie sich noch nie merken konnten!
Ich lerne fünf Kanji und vergesse zehn. Aber wenn ich nach zahllosen Eselsbrücken und Merksätzen über eines stolpere und endlich merke, „Ha, ich weiß, was das heißt!“, das sind Momente, die mein Herz zum Schlagen bringen und mich daran erinnern, weshalb ich überhaupt Japanisch lerne.
In diesem Sinne: Erfolgreiches Lernen, und nicht vergessen auch ein paar Pausen einzulegen!
Dieser Artikel erschien im JAPANDIGEST 2017 und wurde für die Online-Veröffentlichung nachbearbeitet. Bestellen Sie die Zeitschrift hier und lesen Sie hier mehr Artikel aus dem JAPANDIGEST 2017!
Alle Illustrationen stammen von Nakamura Sayuri.
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