Allein die japanische Grammatik scheint mit ihren oft rar gesäten Subjekten, welche manche Sätze in das Spiel “Wer ist es?” verwandeln, eine Herausforderung für sich zu sein. Aber wie ist es eingentlich für Japanisch lernende Deutsche um deren korrekte Lautbildung bestellt?
Jeder Mensch wird beim Reden in einer Fremdsprache von seiner eigenen Muttersprache beeinflusst. Sei es im Satzbau oder in der Aussprache; die eigenen Wurzeln kann man nur schwer verstecken, insbesondere wenn einen ein offensichtlich ausländischer Akzent verrät. Spricht z.B. ein Deutscher Japanisch, können Muttersprachler meist anhand der bestimmten Charakteristika in der Lautgebung erraten, woher er kommt. Was genau macht also einen „deutschen Akzent“ im Japanischen aus? Die Aussprache von Vokalen können die meisten Deutschsprachigen sehr gut meistern. Schwierigkeiten allerdings bereiten das Sprechen des einfachen n (ん), kurze und lange Vokalen sowie das kleine tsu (っ).
N im Japanischen
Ein Hauptproblem vieler Japanisch lernender Deutscher liegt in der richtigen Lautbildung des alleinstehenden n. Dieses wird im Japanischen mit einer Mora als Lauteinheit (statt Silben wie etwa im Deutschen) gezählt, was genau gegenteilig zur deutschen Spracherfahrung läuft. So besteht der Name der Stadt Mannheim im Deutschen beispielsweise aus nur zwei Moren: [man-haim]. Dementsprechend wird der japanische Gruß konnichiwa (Guten Tag) von Deutschsprachigen aus Erfahrung in vier Moren [kon-ni-chi-wa] gesprochen. Japaner hingegen betonen das Wort mit fünf Moren: [ko-n-ni-chi-wa]. Um dies zu erläutern, bitte ich die Teilnehmer meines Sprachkurses immer einmal kurz aufzustehen und sich genauso wie die Japaner vorzubeugen, während sie konnichiwa sagen. Bei der gleichzeitigen Ausführung der Bewegung und des Grußes merkt man, dass dies im kurzen Takt von vier Moren kaum zu bewältigen ist.
Die Wichtigkeit der korrekten Betonung des n wird anhand folgender Beispiele deutlich:
[ko-n-nya-ku] (Speise aus Konjakwurzel) statt [kon-yaku] (Verlobung)
[ki-n-yū] (Finanzen) statt [ki-nyū] (Eintragung)
[ki-n-nen] (letzte Jahre) statt [ki-nen] (Jubiläum)
Kurze und lange Vokale
Die deutsche Sprache hat eine klare Regel: Wenn ein Vokal vor einem Konsonanten steht, wird er lang ausgesprochen, wie in König [ˈkøːnɪç]. Vor einem Doppelkonsonanten jedoch, wird der Vokal kurz ausgesprochen, wie in können [ˈkœnən].
Im Rōmaji-Japanischen werden lange Vokale mit einem Strich darauf gekennzeichnet: kōen (Park). In der japanischen Morenschrift Hiragana hingegen, wird die Verlängerung der Vokale meistens mit einem nachstehenden u bzw. o, selten mit a bzw. e erreicht: こうえん (kōen) [ko-u-en].
Japanischanfängern fällt es meist schwer, diesen Längenunterschied der Vokale in schnell gesprochenem Japanisch herauszuhören, wie das folgende Beispiel zeigt:
Koko ni isho ga arimasu.
ここにいしょがあります。
Hier liegt ein Testament.
Koko ni ishō ga arimasu.
ここにいしょうがあります。
Hier liegt ein Kostüm.
Diese nicht unerhebliche Bedeutungsverschiebung gilt auch bei dem japanischen Wort für Ehemann (shujin). Dessen eigentliche Bedeutung von „Herrscher“ ändert sich bei falscher Lautgebung rasch zu Gefangener (shūjin), was wohl einigen vergrämten Hausfrauen als willkommer „Versprecher“ im Gespräch herausrutschen dürfte.
Ärger mit dem kleinen tsu
Bei der Anwendung des kleinen tsu gelten nur zwei Grundsätze: Erstens, vor den Doppelkonsonanten im Rōmaji wird das kleine tsu gesetzt: きって kitte (Briefmarke), がっこう gakkō (Schule). Zweitens, die Silbe vor dem kleinen tsu wird kurz ausgesprochen.
Der Einfluss des kleinen tsu in der der japanischen Sprache wird im herrlichen Buch „Der Tag an dem das kleine Tsu verschwand“, von Stefano von Loë und Torsten Klockenbring, aufgezeigt: Da das kleine Tsu im Dorf des japanischen Alphabets von dessen anderen Bewohnern kaum Beachtung erfährt, haut es eines Tages beleidigt ab. Infolgedessen können die Dorfbewohner nun u.a. nicht mehr die Vergangenheitsform von いった itta (ging) bilden, sondern nur noch いた ita (war). Weiterhin ist der Rechtsanwalt nicht mehr in der Lage jemanden anzuzeigen (うったえる uttaeru) und kann fortan nur noch singen (うたえる utaeru). So versinkt das Dorf allmählich in Chaos, bis seine Bewohner reuend das kleine Tsu aufsuchen, um sich bei ihm zu entschuldigen und zur Rückkehr zu bewegen.
Ein weiterer Beispielsatz veranschaulicht noch einmal die Bredouille des Dorfes in seinem Satz:
Tan’nin no sensei ga gakkō ni kimono o kite kita.
たんにんのせんせいががっこうにきものをきてきた。
Die Klassenlehrerin kam im Kimono zur Schule.
Tanin no zenzai ga kako ni kimono o kitte kiita.
たにんのぜんざいがかこにきものをきってきいた。
Die süße Bohnensuppe eines Fremden zerschnitt und erhörte in der Vergangenheit den Kimono.
Ähnliche Bedeutungsverschiebungen wie in diesem Musterfall kommen bei deutschen Japanischlernenden öfter vor, da sie häufig einen Höhenakzent auf die erste Mora der Wörter setzen.
Lerntipp: Übersetzungsapp
Übrigens gibt es eine spaßige Übungsmethode für derartige Probleme mit der korrekten Aussprache. In der Google Übersetzer-App, kann man ein japanisches Wort mit schwieriger Lautbildung einsprechen. Das Programm übersetzt die Aufnahme nur, wenn Ihre Aussprache und Betonung richtig ist. Falls manche gesprochene Wörter selbst nach abermaligen Versuchen nicht erkannt werden, grämen Sie sich nicht. Selbst bei Japanern erkennt das Programm manchmal nicht alle Satzinhalte.
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