Auf den ersten Blick scheint die Verwendung von „Ja“ und „Nein“ eindeutig zu sein. Wenn aber plötzlich keine Antwort mehr vom internationalen Geschäftspartner kommt oder man eine vermeintliche Zusage falsch verstanden hat, ist die Verwirrung groß. Häufig liegt die Ursache in einer interkulturellen Fehlinterpretation des Gesagten. Gerade in der japanischen Sprache gibt es einige Besonderheiten zu beachten, denn die beiden Begriffe lassen sich nicht immer eins zu eins übersetzen.
Die verschiedenen Verwendungsweisen von „Ja“
Das japanische Wort für „Ja“ heißt hai und man lernt es bereits in der ersten Stunde des Japanisch-Kurses. Allerdings deckt hai einen weit größeren Bereich als „Ja“ im Deutschen ab.
1. Bejahen der vom Geschäftspartner dargestellten Sachlage
A: Kore wa anata no pen desu ka.
(これはあなたのペンですか。)
– Ist das Ihr Füller?
B: Hai, sō desu.
(はい、そうです。)
– Ja, das stimmt.
Wenn der Gesprächspartner nach einem Sachverhalt in einer verneinten Form fragt, wird auch mit hai geantwortet, wenn der dargestellte Sachverhalt stimmt:
A: Ame wa futte imasen yo ne.
(雨は降っていませんよね。)
– Es regnet nicht, oder?
B: Hai, futte imasen.
(はい、降っていません。)
– Ja, Sie haben recht. Es regnet nicht.
Auf Deutsch würde man bei der obigen Frage mit „Nein“ antworten:
A: Es regnet nicht, oder?
B: Nein, es regnet nicht.
Im süddeutschen Raum reagieren allerdings einige Muttersprachler wie im Japanischen.
2. Rolle als Füllwort
In japanischen Nachrichtensendungen sitzt neben dem Moderator oft eine weitere Person (meistens eine Frau) und sagt unter ständigem Nicken: „Hai, hai“.
In diesem Fall nimmt hai die Rolle eines Füllworts ein, um den Sprecher zum Weitererzählen zu motivieren. Diese Art der Zwischenrufe wird auf Japanisch aizuchi genannt. Die Gewohnheit sorgt dafür, dass Japaner auch bei fremdsprachigen Verhandlungen genauso oft „Yes, yes“ im Sinne von hai („Ich höre Ihnen zu.“) sagen, wodurch ihre ausländischen Geschäftspartner irrtümlich denken, die Japaner hätten allem zugestimmt.
3. Bejahung mit kekkō desu
Es gibt zudem noch einen weiteren Ausdruck, der als Bejahung verwendet wird: Kekkō desu.
A: Kore de yoroshii desu ka?
(これでよろしいですか。)
– Ist das so in Ordnung?
B: Hai, kekkō desu.
(はい、結構です。)
– Ja, ich bin damit einverstanden.
4. Ausdrücke im Geschäftsbereich
Im Geschäftsbereich werden folgende Ausdrücke für die Zustimmung benutzt. Diese haben alle die gleiche Bedeutung: „Ich habe verstanden, stimme zu und werde es ausführen.“
Shōchi shimashita./ Shōchi itashimashita.
(承知しました。)/ (承知いたしました。)
Kashikomarimashita.
(かしこまりました。)
→ nur Vorgesetzen oder Kunden gegenüber
Ryōkai shimashita./ Ryōkai itashimashita.
(了解しました。)/ (了解いたしました。)
→ etwas veraltet und wird evtl. als unhöflich empfunden
5. Verwendung in der Umgangssprache
In der Umgangssprache bejahen japanische Jugendliche mit einem einfachen un. Der Akzent liegt auf der ersten Mora (fett gedruckt):
A: Aisukurīmu tabe ni ikō!
(アイスクリーム食べに行こう。)
– Lass uns Eis essen gehen!
B: Un, ikō.
(うん、行こう。)
– Ja, gehen wir!
Die verschiedenen Verwendungsweisen von „Nein“
1. Verneinung eines Sachverhalts
Auch wenn im Japanischen ein Wort für „Nein“ (iie) existiert, wird dieses möglichst vermieden, da es in vielen Situationen als zu unhöflich gilt. Die Ausnahme ist die Verneinung eines konkreten Sachverhalts, wie die folgenden Beispiele zeigen:
A: Kore wa anata no kasa desu ka.
(これはあなたの傘ですか。)
– Ist das Ihr Regenschirm?
B: Iie, watashi no ja arimasen.
(いいえ、私のじゃありません。)
– Nein, das ist nicht meiner.
2. Höfliche Absagen
Wenn man ein Angebot erhält, das man nicht annehmen möchte, sollte man lieber mit „[…]wa chotto…“ antworten. Dies bedeutet so viel wie „Das ist ein bisschen…“ und soll die eigentliche Absage verschleiern:
A: Ashita eiga o mi ni ikimasen ka?
(明日映画を見に行きませんか。)
– Wollen wir morgen zusammen ins Kino gehen?
B: Ashita wa chotto…
(明日はちょっと…)
– Morgen ist es für mich ein bisschen (unpassend).
3. Verneinung mit kekkō desu
Kekkō desu (siehe oben Nr. 3) wird im Zusammenhang mit iie für „Nein, Danke!“ benutzt:
A: Mō ippai ocha wa ikaga desu ka?
(もう一杯お茶はいかがですか。)
– Möchten Sie noch eine Tasse Tee?
B: Iie, kekkō desu.
(いいえ、結構です。)
– Nein, danke.
4. Ausdrücke im Geschäftsbereich
Wenn man das Angebot eines guten Geschäftspartners ablehnen muss, sagt man oft: „Kentō sasete itadakimasu.“ (検討させていただきます。) Dies bedeutet so viel wie: „Lassen Sie uns bitte über die Angelegenheit nachdenken.“ In diesem Fall sollte man ein Gespür dafür haben, ob der japanische Geschäftspartner tatsächlich Rücksprache in der Firma halten oder das Angebot ausschlagen will.
5. Keine Reaktion
Ich habe als Übersetzerin schon ein paarmal erlebt, dass ausländische Firmen mich um Hilfe baten, weil von ihren japanischen Partnern keine Rückmeldung mehr kam. Meistens stellte sich heraus, dass die Japaner das Geschäft mit ihren ausländischen Partnern absagen wollten, aber ein „Nein“ als zu unhöflich empfanden und daher einfach keine Antwort mehr geschickt haben.
6. Verwendung in der Umgangssprache
In der Umgangssprache verneinen japanische Jugendliche mit uun. Der Akzent liegt auf der zweiten Mora (fett gedruckt):
A: Aisukurīmu tabe ni ikō ka?
(アイスクリーム食べに行こうか。)
– Wollen wir Eis essen gehen?
B: Uun, ikanai.
(ううん、行かない。)
– Nee, ich gehe nicht mit!
Können Sie un („Ja“) und uun („Nein“) voneinander unterscheiden?
Vorsicht! Besondere Form von iie
1. Iie als „Gern geschehen“:
A: Dōmo arigatō gozaimasu.
(どうもありがとうございます。)
– Vielen Dank!
B: Iie!
(いいえ。)
– Nichts zu danken.
2. Iie als Erwiderung auf „Entschuldigung!“:
A: Dōmo sumimasen.
(どうもすみません。)
– Entschuldigen Sie bitte vielmals!
B: Iie!
(いいえ。)
– Kein Problem.
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