Tōkyō- vs. Ōsaka-Dialekt: Gleiches Wort, andere Bedeutung

Aya Puster
Aya Puster

Wenn Sie in Deutschland Standard-Japanisch erlernt haben und in der Kansai-Region sprachlich wenig zurechtkommen, dann sind Sie nicht allein. Die Tōkyōter sind manchmal genauso hilflos, denn in Ōsaka spricht man nicht nur mit einem anderen Akzent, sondern benutzt oft sogar ganz andere Vokabeln als in der Hauptstadt.

© Photo AC / hikigaeru

Shaberu und sukoppu

Den Unterschied zwischen einer Gartenschaufel und einem Bauspaten kennt wohl jeder. Diese nennt man auf Japanisch shaberu bzw. sukoppu. Das Problem liegt darin, dass diese in Kansai (eine westjapanische Region, die die Präfekturen Ōsaka, Nara, Kyōto, Wakayama, Hyōgo und Shiga umfasst) und Kantō (die Präfekturen um Tōkyō, Kanagawa, Saitama, Chiba, Gunma, Ibaraki und Tochigi) im umgekehrten Sinne benutzt werden.

 Kansai Kantō
Gartenschaufelsukoppushaberu
Bauspatenshaberusukoppu

Das Wort shaberu wurde aus dem englischen “shovel” abgeleitet, während sukoppu ursprünglich das niederländische “schop” war, was die Japaner:innen jedoch im Sinne vom englischen “scoop” benutzten. Der Duden bzw. das Oxford-Wörterbuch besagt, dass “scoop” Schöpflöffel bedeutet und “shovel” Bagger bzw. der Schaufel einer Maschine, was eher der Kantō-Variante entspricht. Die japanische JIS-Norm regelt allerdings nach einer wiederum anderen Definition: shaberu habe ein gerades Oberteil, worauf man seinen Fuß beim Graben legen kann, während sukoppu ein rundliches, flaches Oberteil besäße.

Daher muss man einfach mit den in Kansai und Kantō umgekehrten Bezeichnungen solcher Werkzeuge leben, ohne den triftigen Grund dafür genannt zu bekommen.

Tempura und satsumaage

Tempura ist nicht nur Japaner:innen, sondern auch den meisten ausländischen Japan-Reisenden als ein Gericht mit frittierten Meeresfrüchten und Gemüse bekannt. Nur in Ōsaka hat tempura eine andere Bedeutung – nämlich frittierte Fischpaste mit Gemüse, die außerhalb von Ōsaka satsumaage genannt wird. Das bedeutet wörtlich “Frittierte Spezialität aus Satsuma” (dem heutigen Kagoshima) bedeutet.

 KansaiKantō 
Frittierte Meeresfrüchte/Gemüsesatsumaagetempura
Frittierte Fischpaste mit Gemüsetempurasatsumaage

Angeblich liegt der Grund dafür darin, dass rund um das heutige Ōsaka einst viele Menschen aus Satsuma lebten. Diese waren Vasallen und Bedienstete des Fürsten von Satsuma, der in Ōsaka seine Residenz unterhielt. Die nannten ihre Spezialität einfach tempura (ohne den Zusatz “aus Satsuma”). Die einheimischen Kaufleute und Köche der Umgebung haben somit die frittierten Fischpasten als tempura kennengelernt. Wie die Einheimischen damals tempura und satsumaage unterschieden haben, bleibt ein Rätsel.

Übrigens soll tempura aus dem portugiesischen Wort für Gewürz, “tempero”, abgeleitet worden sein, als Portugiesen auf der Insel Kyūshū ansässig wurden und dort den Einheimischen frittierte Speisen vorstellten.

Warum Kansai- und Kantō-Dialekt so unterschiedlich klingenIn Japan existieren viele regionale Dialekte - die bekanntesten sind wohl der Kansai-Dialekt, welcher in Westjapan um die Großstadt Ōsaka vo...17.09.2024

Otsukuri und Sashimi

Das Gericht aus rohem Fleisch mit Essigsoße kam ursprünglich aus China. Besonders gern gegessen wurde in Japan das in Scheiben geschnittene Wildfleisch, genannt namashishi (= rohes Fleisch), woraus das heutige Wort namasu entstand. Etwa seit dem 14. Jahrhundert essen Japaner:innen auch in Scheiben geschnittenen rohen Fisch, der zuerst auch namasu hieß. Dank der unterschiedlichem Kanji-Zeichen konnten rohes Fleisch (膾) von rohem Fisch (鱠) trotz gleicher Aussprache unterschieden werden.

Im Laufe der Zeit wurde namasu nur noch für in Essig eingelegte Gemüse benutzt, während rohes Fleisch bzw. Fisch zu kirimi (= geschnittener Körper) bzw. sashimi (= gestochener Körper) umbenannt wurde. Diese etwas brutale Bezeichnung gefiel den Kansai-Japaner:innen scheinbar nicht, denn sie benannten es schlicht in otsukuri ( = arrangierte Speise) um.

Eine andere Erklärung lautet wie folgt: Die Stadt Edo (das heutige Tōkyō) lag an einer Bucht und verfügte über ein großes Angebot von allerlei frischen Meeresfrüchten, die in dicke Scheiben geschnitten und hübsch auf einem großen Teller angeordnet wurden. Die Kaiserstadt Kyōto liegt jedoch im Inland und hatte nur in Salz eingelegte Fische zur Verfügung, die sorgsam in dünne Scheibe geschnitten wurden. Meistens konnte nur eine Fischsorte mit Beilagen “arrangiert” serviert werden, woraus die Bezeichnung otsukuri entstand.

 KansaiKantō
In Scheiben geschnittener roher Fischotsukurisashimi

Heutzutage werden jedoch aufwendig dekorierte rohe Fisch- bzw. Fleischscheiben allgemein otsukuri bezeichnet, sodass zumindest diese Unterscheidung allmählich zu verschwinden scheint.

Kommentare

Diese Woche meistgelesen

Top Stories

Autoren gesucht

Lesen Sie hier, wie Sie Teil unseres Teams werden!