Der Lauf der japanischen Geschichte wurde seit jeher von äußeren Einflüssen geformt, trotz der geografisch abgelegenen Lage des Landes und der bis zur Neuzeit verfolgten Isolationspolitik. Vor 2000 Jahren waren es maßgeblich China und Korea, die Japan kulturelle Anstöße gaben. Im Mittelalter brachten Portugal und Spanien das Christentum und Militärtechnik. Anschließend bekamen die Niederlande das einzige Recht auf Austausch mit Japan und letztlich waren es die Amerikaner, welche eine Öffnung des Landes in den 1850er Jahren erzwangen. Nach der 1866 durchgeführten Meiji-Restauration befahl der restituierte japanische Kaiser eine umfassende Modernisierung des Landes.
Durch den Kontakt mit anderen Nationen übernahmen die Japaner Wissen und mussten daher entweder eigene Wörter für diese Errungenschaften kreieren oder die ursprünglichen Bezeichnungen „verjapanisieren“. Auf diese Weise kamen zunächst die sogenannten kango (chinesische Wörter und Schriftzeichen) nach Japan, welche bis heute den Alltag bestimmen. Aus dem Portugiesischen übernahmen die Japaner im 16. Jahrhundert Wörter wie pan (pão; Brot), coppu (copo; Glas), buranko (balanço; Schaukel) und cappa (capa; Regenmantel), die man heute für Japanisch halten könnte. Dabei erleichterte der vokalische Aufbau der iberischen Sprache es den Japanern, diese Lehnwörter auszusprechen, was zu deren Einpflege in die japanische Sprache führte.
Deutsche Lehnwörter im Japanischen
Im Gegensatz zum melodischen Portugiesisch fiel die harte deutsche Aussprache den Japanern eher schwer. Die Entsendung vieler Japaner im 19. Jahrhundert auf Edikt des Meiji-Kaisers nach Preußen, um dort Medizin, Technik, Erziehungs- und Polizeiwesen zu erlernen, führte dennoch zu einer Übernahme zahlreicher deutscher Fachwörter. So kennt noch fast jeder ältere Japaner Begriffe wie karute (Patientenkarte), ope (Operation) und mesu (chirurgisches Messer) aus früheren Klinikbesuchen, da diese unter den Ärzten weiterhin sehr geläufig waren.
Die vielen konsonantischen Laute der deutschen Sprache stellten jedoch ein gewisses Hindernis für Sprachschüler aus Japan dar, da Japanisch selbst keine alleinstehenden Konsonanten außer dem Buchstaben „N“ besitzt. Diese Unannehmlichkeit wird durch das Hinzufügen eines passenden Vokals an den Konsonanten beseitigt. So wird zum Beispiel aus dem deutschen Wort „Arbeit“ die japanische Entsprechung arubaito, welche sich zum Lehnwort für Minijobs entwickelte. Bei Fremdwörtern im Japanischen wird dazu keine akustische Unterscheidung zwischen r und l sowie v, b und w vorgenommen. Ferner gibt es auch keine Umlaute im Japanischen, sodass ö und ä zu e/ē und ü zu yu/yū umfunktioniert werden.
Solche lautlichen Translationen führen jedoch oft zu Verwirrung bei Muttersprachlern aus jenen Ländern, aus welchen die Lehnwörter ursprünglich entstammen. Welcher Deutsche kann schon erraten, was hinter den folgenden Wörtern steckt? (Die Lösung finden Sie am Ende dieses Artikels.)
- shubarutsuberudākirushutorute
シュバルツベルダーキルシュトルテ - hōfuburoihausu
ホーフブロイハウス - noishubanshutain
ノイシュバンシュタイン
Preußen war zu Zeiten der Jahrhundertwende das Land der Träume der jungen Elite Japans. Japanische Studenten lernten Deutsch als Wissenschaftssprache und benutzten es sogar als Geheimsprache: geru (Geld), zoru (Soldat), mētohen (Mädchen) und dopperu (Doppel). Letzteres bedeutete dabei „Sitzenbleiben“ im Schuljahrgang. Auch kōruyūbungen (Chorübungen), welche die japanischen Schüler in der Musikstunde nach dem takuto (Taktstock) des Lehrers beim tickenden metoronōmu (Metronom) machen mussten, gehörten zur Routine japanischer Schulen nach deutschem Vorbild. Manche Studenten waren auch Mitglied in einem wandāfōgeru-Klub, kurz wangeru. Sie trugen einen ryukkusakku, stiegen mit pikkeru und aizen zur hyutte auf dem Berg und schliefen in ihrem shurāfuzakku (Wanderverein, Rucksack, Pickel, Steigeisen, Hütte und Schlafsack).
Lehnwörter fürs Lebensgefühl
Neuerdings entdecken auch japanische Geschäfte deutsche Namen für ihre Marken, wie z.B. „Schau Essen“, die Wurstkreation einer japanischen Metzgerei. Eine deutsche Restaurantkette nennt sich arute rībe „Alte Liebe“, während ein Spezialitätengeschäft mit deutschen Waren in Tōkyō den Namen gemyūtorihi „Gemütlich“ gewählt hat. „Freude“ heißt eine Berufsfachschule für Orthopädie-Meister in Tōkyō. Der Titel maisutā (Meister) ist den Japanern gut bekannt und wird hoch geschätzt, sodass sich manche japanische Spezialisten auch stolz Meister nennen. Vor allem aber der Begriff haimāto (Heimat) spricht die Japaner besonders an, und so gibt es Cafés, Hotels, eine Supermarktkette und natürlich einen Biergarten, welche allesamt „Heimat“ heißen. Ebenfalls großer Beliebtheit erfreut sich das deutsche Brauchtum des Weihnachtsmarktes. Hier kann man mit giryūwain (Glühwein) und shutoren (Christstollen) ein authentisch deutsches Weihnachtsgefühl genießen.
Lösung:
- Schwarzwälder Kirschtorte
- Hofbräuhaus
- Neuschwanstein
Dieser Artikel wurde für die Oktober 2018-Ausgabe des JAPANDIGEST verfasst und für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
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