Genau wie im Deutschen hängt die „Entschuldigung“ auf Japanisch von der Situation ab. In Japan macht man hier jedoch sehr viel feinere Unterschiede und wenn Worte nicht mehr ausreichen, kommt auch schon einmal der ganze Körper zum Einsatz.
Verschiedene Arten der Entschuldigung
1. Unbedeutende Störung
Wenn man jemanden nur kurz stören muss, z.B. wenn man an Passanten schnell vorbeigehen möchte, grüßt man sie kurz mit leichtem Kopfknicken und den Worten shitsurei shimasu (wie das deutsche „Tschuldigung!“). Shitsurei heißt wörtlich shitsu (verlieren) + rei (Höflichkeit). Mit diesen Worten zeigt man den Anderen, die man (die Laufordnung störend) überholt, dass man sich seiner Unhöflichkeit bewusst ist und sich dafür entschuldigt.
Wenn man eine/n Dienstleistende/n herbeirufen will, wird sumimasen gerufen, im Sinne, dass es einem leid tut, sie/ihn bei anderen Tätigkeiten stören zu müssen.
2. Leichter Fehler
Bei leichten Fehlern/Versehen, z.B. wenn man Mr. X mit Mr. Y verwechselt hat, zeigt man sein Bedauern mit shitsurei shimashita in klarer Stimme, damit sie für den Betroffenen hörbar ist, und verbeugt sich um ca. 30 Grad, wobei man mit dem Zusatz dōmo und der Bescheidenheitsform itashimashita statt shimashita sein Bedauern steigern kann.
3. Leichte Schäden bei Anderen
Wenn bei Betroffenen tatsächlich ein Schaden entstanden ist, z.B. wenn man versehentlich eine (ersetzbare) Vase fallen ließ, verbeugt man sich um ca. 45 Grad und drückt seine Entschuldigung mit dōmo sumimasen deshita oder mōshiwake arimasen deshita aus. Hierfür wird die Vergangenheitsform benutzt, weil der Schaden bereits entstanden ist. Da es in diesem Fall nicht mehr um reine Unhöflichkeit geht, wäre die Phrase shitsurei shimashita unpassend.
Unter Kindern bzw. Jugendlichen reicht meistens das einfache gomen aus, wenn sie ihren Freunde mal auf die Nerven gehen. Höflicher klingt natürlich die längere Version gomen nasai, wie sie die Kinder nach einem Streich den Lehrern gegenüber sagen würden.
4. Mittelmäßige Schäden bei Anderen
Wenn der Schaden ein gewisses Maß übersteigt, z. B. wenn man versehentlich eine teure Vase fallen ließ, wird es ernst mit der Entschuldigung. In dieser Situation wäre die Redewendungen owabi itashimasu (Ich bitte Sie um Verzeihung)“ oder etwas höflicher owabi mōshiagemasu bzw. das noch ausdrucksvollere kokoro kara owabi mōshi agemasu (Von ganzem Herzen möchte ich Sie um Verzeihung bitten) angebracht. Wenn man sich in diesem Fall am besten mit einem kleinen Wiedergutmachungsgeschenk bei den Geschädigten aufrichtig entschuldigt, wird das Vergehen bald vergessen sein.
5. Große Schäden bei Anderen
Wenn ein Schaden immens ist, z.B. wenn man eine unersetzbare Vase kaputt gemacht hat oder wenn der Schaden viele Menschen betrifft und eine soziale Unruhe stiftet, reichen Worte allein nicht mehr aus. Körperlicher Einsatz ist hier gefragt. Manche können sich sicher an Pressefotos nach großen Wirtschaftsskandalen mächtiger Konzerne erinnern, wo sich die tief (um mehr als 90 Grad) verbeugenden Führungskräfte mit verzogenen Mienen vor laufenden Kameras zeigen.
Ich erinnere mich noch an eine Molkerei, die wegen ihrer verunreinigten Milchprodukte ein ganzseitiges Entschuldigungsschreiben in überregionalen Zeitungen drucken ließ. Dieses enthielt folgende Punkte:
- Ursache des Zwischenfalls
- Ehrliches Bekennen zum Fehler
- Festes Versprechen, sich zu bemühen, so etwas in Zukunft nie wieder zu erlauben
Die Molkerei schickte ferner ihre Mitarbeiter zu jedem Opfer von Lebensmittelvergiftung, um sich im Namen der Firma zu entschuldigen. Eine derartige „Entschuldigung“ wäre in einem deutschen Unternehmen wohl undenkbar. Für Deutsche ist es wohl sicher unverständlich, dass die sich entschuldigenden Firmen in Japan sich kaum zu Wiedergutmachung und Schadensersatz äußern.
Öffentliche Entschuldigungskultur
Wenn etwas passiert, wird vom Verursacher erwartet, dass er sich öffentlich zu seinem Fehler bekennt und sich aufrichtig entschuldigt. Regenbogenpresse und TV zeigen oft und offenbar gern Prominente, die sich nach einem (aufgedeckten) Seitensprung öffentlich entschuldigen. Warum tun sie das?
Hierzu muss man wissen, dass in Japan ein ungeschriebenes Gesetz herrscht: Wer sich aufrichtig entschuldigt, soll nicht weiter geahndet werden. Eine emotionale Entschuldigung scheint höher gewertet zu werden als die tatsächliche Sühne und Wiedergutmachung. Diese Gewohnheit hat allerdings fatale Folgen: Viele Japaner neigen instinktiv dazu, in kritischen Situationen „sicherheitshalber“ sumimasen zu sagen. Es liegt jedoch nahe, dass eine voreilige Entschuldigung, wie ein sumimasen bei einem Auffahrunfall zum Beispiel, in westlichen Ländern für ein Schuldbekenntnis gehalten werden kann, was einem viel Ärger verursachen könnte.
Dreiste Entschuldigung?
Dreiste Menschen nutzen diese Entschuldigungskultur aus, um sich von Ahndungen zu befreien. Besonders eindrucksvoll wirkt die Haltung dogeza: Man kniet direkt auf dem Boden und streckt die Arme und Hände seitlich aus, wobei man seinen Oberkörper nach vorne zum Boden beugt, bis der Kopf den Boden berührt. In dieser Haltung verharrt man so lange, bis der Geschädigte einem verzeiht und einen bittet, wieder aufzustehen. Danach kann man nicht mehr über Schadensersatz verhandeln.
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