Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Von Katzenbussen und Wartelisten: Kindergärten in Japan

Annemarie Günzel-Taguchi
Annemarie Günzel-Taguchi

Eine gute Betreuung für das eigene Kind zu finden, ist wohl für Eltern in jedem Land ein wichtiges Thema. Aber was macht japanische Kindertagesstätten aus und vor welchen gesellschaftlichen Herausforderungen steht diese Art der vorschulischen Betreuung? Eine Einführung in das Kindergartensystem Japans.

Kindergarten
Geschichtenzeit gehört in japanischen Kindergärten genauso zum Alltag wie das Spielen im Freien. © Photo AC / FineGraphics

Wenn man morgens durch die Straßen japanischer Städte geht, fallen einem oft in leuchtenden Farben lackierte Kleinbusse auf, die mit den Helden bekannter Animes beklebt sind. Manchmal ist sogar der ganze Bus wie eine Comicfigur geformt. Bei diesen amüsanten Fahrzeugen handelt es sich um die Schulbusse japanischer Kindergärten, die ihre kleinen Schüler und Schülerinnen von eigenen Busstationen abholen und nachmittags wieder zurück zu ihren Eltern bringen.

Auch wenn bis heute nicht wenige Kinder bis zur Einschulung im Alter von sechs Jahren zu Hause betreut werden, so sorgt unter anderem die steigende Zahl an Doppelverdiener-Haushalten für eine hohe Nachfrage an Betreuungsplätzen. Allerdings ist Kindergarten nicht gleich Kindergarten in Japan. Es gibt verschiedenste Arten von Einrichtungen, so dass selbst unter Japaner*innen manchmal Verwirrung herrscht.

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Kindergartenbus
Die fröhlichen Figuren auf den Bussen helfen den Kindern, sich auf den Kindergarten-Besuch zu freuen. © Photo AC / FRANK211

Die verschiedenen Arten der Kinderbetreuung

Die meisten Vorschulkinder in Japan, die außerfamiliär betreut werden, besuchen einen Kindergarten. Bei der Art des Kindergartens wird zwischen yōchien (幼稚園) und hoikuen (保育園) unterschieden. Von Nicht-Japaner*innen wird oft fälschlicherweise angenommen, dass es sich bei hoikuen um eine Kinderkrippe für 0-3-jährige handelt, und Kinder anschließend bis zur Einschulung in einen yōchien wechseln. Tatsächlich liegt der Unterschied aber in der jeweiligen rechtlichen Definition des Betreuungsmodells.

Modell Hoikuen

Hoikuen sind gesetzlich als Kinderwohlfahrtseinrichtung definiert und unterstehen dem Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales, kurz MHLW. Ihr Fokus liegt auf der Betreuung von Kindern, deren Familien tagsüber nicht für sie sorgen können. Deswegen sind sie auch die erste Anlaufstelle für Familien, in denen beide Eltern arbeiten. Hoikuen haben dementsprechend lange Öffnungszeiten und nehmen Kinder von unter einem Jahr auf. Wenn sie die Vorgaben des Kindeswohlfahrtsgesetz erfüllen, erhalten sie eine staatliche Lizenz.

Diese Kindergärten sind besonders beliebt, da sie als am sichersten gelten und außerdem der monatliche Beitrag nach dem Einkommen der Eltern berechnet wird, weswegen sie relativ günstig sind. Die Vergabe der begrenzten Plätze erfolgt meist zentral über eine Bewerbung bei der Stadtverwaltung. Dabei wird nach einem Punktesystem entschieden, das auf Dringlichkeit basiert. Wenn es geklappt hat, starten die Kinder im darauffolgenden April in den neuen Lebensabschnitt Kindergarten. Allerdings übersteigt die Nachfrage oft das Angebot und so gleicht ein Platz in einem lizensierten hoikuen besonders in den Ballungsgebieten manchmal einem Sechser im Lotto. Für Eltern, die kein Glück hatten, bleibt als Ausweichmöglichkeit ein unlizensierter hoikuen oder eine andere private Einrichtung.

Ein hausgekochtes Mittagessen in einem hoikuen auf Kyūshū. © Shintoku Hoikuen Sasebo

Modell Yōchien

So genannte yōchien-Kindergärten wiederum sind nach japanischem Recht als Schule definiert und gleichen Vorschulen. Aus diesem Grund unterstehen sie auch dem Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie, kurz MEXT. Yōchien nehmen Kinder erst ab drei Jahren auf. Da sie in der Regel nur eine Halbtagsbetreuung anbieten, werden sie von Familien bevorzugt, bei denen ein Elternteil nicht oder in Teilzeit berufstätig ist.

Der Fokus von yōchien liegt auf der frühkindlichen Bildung und der Vorbereitung auf einen optimalen Schulstart. Viele yōchien haben eine Schuluniform und jährliche Sport- und Kulturfeste, wie sie später auch an Schulen durchgeführt werden. Eltern können sich direkt auf einen Platz bewerben.

Kindergartenkind
Schick mit neuer Schuluniform: Yōchien-Kindergartenkind bei der Einschulung im April. © Photo AC / myumyu

Probleme und Herausforderungen für Kindergärten in Japan

Das System zur Betreuung von Vorschulkindern steht schon seit Jahren vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die größte davon ist wohl, dass es, trotz jährlich sinkender Geburtenzahlen, nicht genug Plätze für alle Kinder gibt. Neben des anhaltenden Städtewachstums durch Zuzug vom Land, mit dem der Ausbau von Kindergärten nicht Schritt halten kann, liegt eine weitere Ursache in der Veränderung familiärer Strukturen. Seit Jahren steigt der Anteil berufstätiger Mütter, was vom ehemaligen Premierminister Abe Shinzō auch politisch forciert wurde. Im Jahr 2017 waren zum ersten Mal über 70 % aller Mütter in Japan berufstätig.

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Neben einem Mangel an Kindergärten gibt es auch einen Mangel an Personal. Die Ursache dafür wird oft im niedrigen Gehalt für Erzieherinnen (denn über 95 % von ihnen sind weiblich) gesehen. Dieses lag laut einer Studie des MHLW aus dem Jahr 2020 bei monatlich 305.000 Yen (2400 Euro) und damit unter dem nationalen Durchschnitt von 417.000 Yen (3200 Euro) aus derselben Studie. Dazu kommen lange Arbeitszeiten, da tägliche Überstunden für Bürokratie und Vorbereitung von Aktivitäten in vielen Einrichtungen zum Standard gehören.

Gegen diese Probleme haben japanische Gemeinden bereits verschiedene Maßnahmen eingeführt, wie z. B. die vollständige Übernahme der Beitragskosten für Kinder bis drei Jahre in einigen Städten. Da die Maßnahmen noch recht neu sind, bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird. Seit dem Jahr 2017 ist allerdings die Zahl der Kinder im Land auf der Warteliste für einen hoikuen-Platz von über 26.000 auf ca. 5.600 gesunken. Auch wenn als ein Hauptgrund die anhaltende Corona-Pandemie genannt wird, bei der viele Eltern aus Sorge vor einer Ansteckung die Einschulung in den Kindergarten verzögern, so hat der Abwärtstrend schon vor dem Ausbruch der Pandemie begonnen. Und vielleicht können ja in ein paar Jahren alle Kinder in Japan, bei denen die Eltern es wünschen, mit ihren Freunden im Katzenbus zum Kindergarten fahren.

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