Tausende Berge erstrecken sich majestätisch durch ganz Japan, dichte, grüne Wälder bedecken über zwei Drittel des Landes. Doch wenn es um die Landwirtschaft geht, ist die üppige Natur vielleicht eher Fluch als Segen. Denn nur ein kleiner Teil des Landes kann dafür genutzt werden, um etwa Obst, Gemüse oder Getreide anzubauen. Und seit Jahrzehnten schrumpft die landwirtschaftliche Fläche immer weiter, die Farmer:innen werden immer weniger und älter. Lange Zeit sind deswegen herkömmliche Anbaumethoden vor ökologische gestellt worden, Produktivität vor Nachhaltigkeit.
Viele Hürden für Bio-Farmer:innen
Daten des Ministeriums für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei (MAFF) zufolge waren 2018 nur ungefähr 0,5 % der landwirtschaftlichen Fläche in Japan biologisch, also ohne synthetische Pestizide, Düngemitteln und Gentechnik, bewirtschaftet. Lediglich die Hälfte davon war tatsächlich nach dem japanischen Bio-Landwirtschaftsstandard zertifiziert. Für Bio-Bauernhöfe ist eine Zertifizierung nämlich oft zu teuer oder nicht notwendig. Viele von ihnen sind kleine Familienbetriebe, produzieren relativ wenig und verkaufen ihre Ernten und Erzeugnisse nur in ihren Gemeinden. Sie können teilweise auch nur dort verkaufen und nicht in überregionalen Supermärkten, weil sie etwa nicht mit dem Großhandel zusammenarbeiten.
Diejenigen, die an Supermärkte verkaufen dürfen, stoßen vor andere Hindernisse. So gibt es für frisches, biologisch angebautes Obst oder Gemüse in Japan strenge Regeln. Wenn etwa eine Gurke zu stark gebogen ist, dann „gilt sie nicht mehr als Rang A […] deswegen nehmen sie sie nicht an“, so Nishimura Chie, die mit ihrem Business „Farm Canning“ liegengebliebene Bio-Lebensmittel ankauft und weiterverarbeitet, in einem Interview mit der Japan Times 2019. „[Bio-]Farmer:innen haben viel ungewöhnlich geformtes Gemüse, das sie nicht verkaufen können.“
Langsam wachsendes Bewusstsein
Weil es relativ wenige Bio-Lebensmittel in die Regale bekannter Supermärkte schaffen, wissen viele Verbraucher:innen nicht, wo sie solche Produkte finden können, oder dass es sie überhaupt gibt. Auch deswegen war und ist die japanische Bio-Bewegung noch immer kleiner als in vielen anderen Ländern. Doch in den letzten Jahren haben immer mehr Menschen damit angefangen, sich für Bio-Produkte zu interessieren, etwa aus Umwelt- oder Gesundheitsgründen. Das merkte auch Imai Akiteru, Manager bei Bio c’ Bon Japon, gegenüber Foodex 2018 an. Seine Bio-Supermarktkette hat vor allem das Ziel, Bio-Produkte zugänglicher zu machen: 2016 eröffnete das erste Geschäft in der Präfektur Tōkyō, mittlerweile gibt es dort sowie in der Nachbarpräfektur Kanagawa mehr als 25 Filialen. Und auch Restaurants, Cafés und sogar Bars steigen vermehrt auf Bio-Zutaten um, zumindest für einen Teil ihrer Gerichte und Getränke.
Die Sicht der Menschen auf die biologische Landwirtschaft scheint sich zu verändern: Immer mehr Verbraucher:innen suchen z.B. Bio-Farmen im ganzen Land auf, um über ökologische Landwirtschaftsmethoden zu lernen, oder arbeiten mit diversen Organisationen daran, stillgelegte Ackerflächen wiederzubeleben. Auch große Konzerne wie Rakuten bieten Programme an, die Menschen über die Vorteile von Bio-Produkten aufklären und auch Nachwuchs-Farmer:innen anlocken sollen.
Politische Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit
In den im April 2020 überarbeiteten Richtlinien zur Förderung der biologischen Landwirtschaft des MAFF wird damit gerechnet, dass die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in Japan bis 2030 auf 328 Milliarden Yen (circa 2,5 Milliarden Euro) wachsen wird, von 185 Milliarden Yen im Jahr 2017. Um dies möglich zu machen, soll etwa (ebenfalls bis 2030) die Zahl der Bio-Landwirt:innen mehr als verdreifacht werden, von 11.800 (Stand 2009) auf 36.000, dazu sollen mehr Bio-Lebensmittel im Inland produziert werden.
Im Mai 2021 präsentierte das MAFF seine neue Strategie mit weiteren Zielen für die biologische Landwirtschaft. Etwa soll bis 2050 der Anteil der biologisch bewirtschafteten Fläche von 0,5 auf 25 % wachsen, der Einsatz von chemischen Pestiziden und Düngemitteln um 50 bzw. 30 % reduziert werden. Auch sollen in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei keine CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe mehr entstehen.
Der Fokus der neuen Strategie liegt auf Innovation und neuen Technologien. Beispielsweise soll eine App mit Künstlicher Intelligenz entwickelt werden, die Krankheiten oder Schädlinge identifizieren und so ihre Bekämpfung erleichtern könnte. Oder Drohnen, die nur dort Pestizide versprühen würden, wo unbedingt notwendig statt über das ganze Feld. Japan möchte eine Vorreiterposition einnehmen und solche Technologien auf auch andere asiatische Länder übertragen, um dabei zu helfen, wirklich nachhaltige Ernährungssysteme auf der ganzen Welt zu errichten.
Dieser Artikel erschien in der JAPANDIGEST April 2022-Printausgabe und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.
Kommentare