Den rapiden Siegeszug in Japan verdankt das Smartphone in erster Linie Apple – deren Produkte sind in Japan schon seit langer Zeit äußerst beliebt, stand doch Steve Jobs mit seinem Unternehmen für Innovation und Perfektion. Doch was fängt man mit dem Smartphone in Japan an und was hat sich geändert?
Abgekürzt wird Smartphone in Japan zu sumaho (スマホ), denn ersteres wäre ins Japanische transkribiert einfach zu lang. Sumaho sind in Japan auf dem Vormarsch, garakei (ガラケー) dafür auf dem Rückzug.
Garakei ist die Abkürzung für Galapagos Keitai (keitai = Mobiltelefon) und bezieht sich auf Klapphandys. Die waren in Japan immer verbreiteter als die in Walkie-Talkie-Form, die in Europa und den USA gut ankamen.
Der Begriff Garakei ist eine Anspielung darauf, dass Japan gern seinen eigenen Weg geht – entgegen globaler Trends – und sich somit die Bewohner wie die berühmten Darwinfinken irgendwie anders entwickeln. Einst eher spöttisch gemeint, ist man heute nicht selten stolz auf diesen Vergleich. Vor allem, seit auch das Smartphone nicht mehr aus japanischen Händen wegzudenken ist.
Soziale Netzwerke in Japan: Mixi, Facebook, Twitter
Natürlich spielen die Sozialen Netzwerke eine extrem wichtige Rolle. Während vor 10 Jahren noch das japanische SNS Mixi das Maß aller Dinge war, und man Facebook in Japan kaum Chancen einräumte, da dort Klarnamen verlang werden, hat das Smartphone die Lage gründlich geändert.
Und Mixi hat den Trend, man kann es nicht anders sagen, verpennt. Facebook ist nunmehr auch in Japan sehr beliebt, doch, und das ist interessant, Twitter ist noch beliebter.
Die Hürde zum Twittern liegt dabei etwas tiefer als zum Beispiel im deutschen Sprachraum: Das Zeichenlimit liegt hüben wie drüben bei 140 Schriftzeichen, doch wer auf Deutsch mal eben über „Umweltverträglichkeitsprüfungen“ auf Deutsch twittert, hat schon mal mit einem Wort gute 30 Zeichen verbraucht – im Japanischen hingegen dank Kanji-Schriftzeichen nur 6 für 環境影響評価.
Man kann also auf Twitter im Japanischen halbe Romane schreiben, das Limit stört weit weniger als im Deutschen. Vielen Japanern reicht das.
(Un)soziale Netzwerke? Wenn die App fürs Mobbing benutzt wird
DIE Anwendung schlechthin jedoch ist LINE, eine Chatanwendung, die man statt WhatsApp in Japan benutzt. Während es jeweils rund 25 Millionen Japaner auf Facebook und Twitter umtreibt, haben rund 50 Millionen (von 127 Millionen Einwohnern, wohlgemerkt) ein Konto bei LINE.
Bei LINE kann man nach Herzenslust Grüppchen bilden und unter sich Informationen und Fotos austauschen. LINE geriet und gerät zwar immer wieder in die Kritik, zum Beispiel wenn man feststellt, dass ein Selbstmörder oder Schikane-Opfer auf LINE gemobbt wurde oder man sich dort zu einer Straftat verabredete, aber es dürfte jedem Politiker in Japan klar sein, dass das nicht die Schuld von LINE sein kann.
Apropos Politiker: LINE bietet sogar Sticker berühmter Personen. So unter anderem auch eine Sticker-Reihe von Abe Akie, der Ehefrau von Premierminister Abe Shinzō – in Deutschland wären Joachim Sauer-Sticker sicher undenkbar…
Pokemon GO in Japan – und andere Freizeit-Apps
Die Videospiel-Nation Japan nutzt die smarten Geräte natürlich auch ausgiebig zum Daddeln. Besonders beliebt sind Rollenspiele, Baseballsimulationen, und unzählige Varianten des Puzzle-Klassikers Tetris. In Japan ist, wie überall anders auch, der Pokémon GO-Boom aber zum Beispiel schnell wieder abgeebbt.
Auch als virtueller Partner wird das Smartphone gern genutzt – in Japan mit seiner niedrigen Hochzeitsrate mehr noch als anderswo. Die virtuelle Liebschaft kann dabei sehr schnell sehr teuer werden – genauso wie die Spielwut. Quasi aus dem Nichts entstanden so milliardenschwere App-Entwicklungsfirmen wie Gree oder Cygames, die auf die eine oder andere Weise ihr Geld mit den sogenannten „inApp purchases“ verdienen.
Mit Karten auf dem Smartphone durch Japans Großstädte
Von unzähligen Spielen abgesehen, dürfte jedoch der Zugriff auf hochauflösende digitale Karten den größten Gewinn für die Nutzer einbringen. Während man früher aufgrund der irrwitzigen japanischen Adress-Gebung (kaum Straßennamen, Häuser nicht durchlaufend nummeriert usw.) oftmals lange nach seinem Zielort suchen musste, ist die Orientierung heute ein Kinderspiel.
Genauso hilfreich sind Apps wie Jorudan (Link auf Englisch!), mit denen man blitzschnell Bahn- und Busverbindungen suchen kann. Das ist im Verkehrsdschungel von Tōkyō zum Beispiel mit seinen dutzenden privaten Bahnlinien eine programmiertechnische Herausforderung, die man hervorragend gemeistert hat. In den Pro-Versionen verrät einem die Anwendung sogar, in welchen Wagen man steigen soll, um schnellstmöglich umsteigen zu können – und es gibt sogar Apps, die einen betrunken durch Japans Großstadt-Verkehr lotsen.
Wie anderswo auch sind natürlich auch in Japan die aruki sumaho (歩きスマホ, „Smombies“) ein Riesenproblem. Erst recht in der Großstadt. Da können die diversen Aufklärungskampagnen noch so lustig sein – das eigene Handy geht für viele Japaner vor Sicherheit, wie ein einfacher Blick auf die Straßen und in die Bahnen Japans beweist.
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