Roboter in Japan: Eine Einführung
Im heutigen Japan spielen Hilfsroboter bereits eine große Rolle. Sie erleichtern den Alltag, indem sie Patienten heben und User Interface für Reise-Informationen sind. Im havarierten AKW Fukushima-Daiichi helfen sie bei den Aufräumarbeiten. Robotik-Professor Ishiguro Hiroshi vertritt die These, dass Roboter in Japan besonders leicht akzeptiert werden, weil der Shintoismus traditionell annimmt, dass alles beseelt sein kann, auch Gegenstände.
Die Dystopie Ghost in the Shell, in Japan in den 1990ern als Anime erschienen und 2017 als Hollywood-Realverfilmung in den deutschen Kinos, thematisiert Probleme der Verschmelzung von Mensch und Roboter in der Zukunft. Was bleibt vom menschlichen Geist, wenn der Körper nur noch Maschine ist?
Robotik und Künstliche Intelligenz beschäftigen sich also nicht nur mit technologischen Fragen, sondern auch mit philosophischen. Das wird auch im Gespräch mit Professor Ishiguro deutlich, der argumentiert, dass der technologische Fortschritt unabdingbar zum menschlichen Wesen gehört.
JAPANDIGEST: Professor Ishiguro, was halten Sie von Menschenrechten für Roboter?
Ishiguro: Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich diese Diskussion für unsinnig. Roboter sind noch nicht soweit entwickelt, um als Partner der Menschen Teil der Gesellschaft zu sein. Sollten sie eines Tages aktiv an der Gesellschaft teilhaben, wird die Gesellschaft ihnen auch Rechte zugestehen.
AI-Wissenschaftler wie Raymond Kurzweil zeichnen folgendes Szenario: Im Jahr 2029 übersteigt die künstliche Intelligenz die kognitiven Fähigkeiten der Menschen, 2045 ist ihre Entwicklung soweit vorangeschritten, dass sie nicht mehr durch Menschen kontrolliert werden können. Diese technologische Singularität soll dramatische Folgen für die Gesellschaft haben…
Ganz im Gegenteil. Solche Gedanken entstehen nur, wenn wir Angst vor Robotern haben. Wir machen uns Gedanken über die Rechte von Robotern, die noch gar nicht existieren, weil ein diffuses Gefühl der Krise herrscht.
Wir müssen diese Ängste reflektieren. Nehmen Sie die um unsere Arbeitsplätze: In der Geschichte hat technische Entwicklung stets dazu gedient, den Menschen Arbeit abzunehmen. Wenn in Zukunft mehr Arbeit durch Roboter erledigt wird, verlängert sich die Lebensspanne der Menschen, wir können uns im Alltag mit schönen Dingen beschäftigen. Ich halte diese Entwicklung für durchweg positiv.
Viele Menschen denken aber, dass dann nur noch jene Arbeit haben werden, die sich mit der Technologie auskennen. Das ist aber keine Hürde, sondern ein Anlass, uns selbst weiterzuentwickeln.
Auch die Angst, dass wir die Roboter vergöttern müssten, weil wir glauben, wir wären ihnen unterlegen, ist Grund für solche Dystopien. Wir werden gleichwertig existieren.
Sie sehen also keine Notwendigkeit, rechtliche Grundlagen zu schaffen, um Probleme mit Robotern zu vermeiden?
Die Problemlage ist dieselbe wie bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen. Für den technologischen Fortschritt ist es egal, ob die Gesellschaft oder ein einzelner die Verantwortung trägt. Letztendlich geht es darum, wie die Versicherungen etwaige Unfälle mit Robotern handhaben. Das ist ein rein finanzielles Problem.
Sie halten Sie es also eher für ein Hindernis, wenn Organisationen wie die EU einen rechtlichen Rahmen ausarbeiten wollen?
Nein, die Diskussion über gesetzliche Regelungen vermittelt uns das Gefühl von Sicherheit. Aber die künstliche Intelligenz wird ganz unabhängig davon irgendwann unsere eigene übersteigen. Dass wir darüber reden, was wir dann tun werden, hat hauptsächlich therapeutischen Zweck.
Wir dürfen deshalb aber nicht die Technologie verdammen. Immer, wenn neue Technologien entwickelt wurden – in der Renaissance, während der ersten industriellen Revolution – gab es Strömungen, die diese Maschinen wieder zerstören wollten, zum Beispiel die Ludditen-Bewegung im England des 19. Jahrhunderts. Die Technologie hat sich aber trotzdem durchgesetzt.
Meinen Sie nicht, dass unsere Angst daher kommt, dass die Menschen nicht perfekt sind? Roboter werden zum Beispiel nicht müde. Da bleibt die Sorge, dass wir den Robotern unterlegen sein werden…
Stop! Das ist ein logischer Widerspruch. Wenn Sie sagen, es sei ein menschlicher Wesenszug, nicht perfekt zu sein, wäre auch der „perfekte Mensch“ nicht mehr menschlich.
Ein Roboter, der so wäre, wie wir uns einen perfekten Menschen vorstellen, erschiene uns eben nicht perfekt. Das liegt daran, dass Perfektion kein Bestandteil der menschlichen Natur ist.
Ich schlage einen anderen Blickwinkel vor. Wie wäre denn eine Unterteilung in Roboter, die von Menschen benutzt werden, und Roboter, die Menschen benutzen? In vielen Firmen arbeiten Menschen schon nach Vorgaben von Robotern. Sie sind aber trotzdem der Überzeugung, dass sie ihre Arbeit frei gestalten. Und nun denken Sie mal darüber nach, dass 90% aller Roboter zum letztgenannten Typ gehören.
Ich bin davon ausgegangen, dass es uns unglücklich macht, wenn wir Robotern unterlegen sind. Aber das ist das ja gar nicht so. Ich freue mich über mein Auto, weil es mich schneller macht, und über meinen Taschenrechner, weil ich schlecht im Kopfrechnen bin.
Genau. Das bringt uns zur Definition des Menschen zurück. Den Menschen macht aus, dass er sein Gehirn benutzt, um technische Lösungen zu finden. Wir sind Affen, die Werkzeuge benutzen. Tiere, die Technologie entwickelt haben. Dazu gehört auch der Roboter. Durch die Erschaffung von Robotern lebt sich der Mensch erst als Mensch aus.
Es ist also geradezu das Ziel, dass Roboter uns die Arbeit wegnehmen?
Ohne den Einsatz von Werkzeugen und Technologie wären wir ja gar nicht zu unserer heutigen Form von Arbeit gekommen. Und nur der Einsatz von Robotern wird jetzt verdammt? Früher musste alles von Hand geerntet werden. Heute machen Erntemaschinen die Arbeit von 1000 Menschen. Das verängstigt aber niemanden.
Die Arbeitszeit wird sich in Zukunft stark verkürzen, weil wir durch die Technologie unheimlich effizient arbeiten. Früher mussten Menschen ihr ganzes Leben lang arbeiten, um zu überleben. Heute besteht die Hälfte der Lebenszeit aus Lernen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. In Zukunft werden es 80 Prozent sein, und unser Lebensstandard bleibt dabei gleich.
Darüber würde ich mich auch freuen.
Und in Zukunft werden Sie sich noch mehr freuen, wenn die Technologie Ihnen eine schöne, reichhaltige Freizeit ermöglicht.
Und was ist mit der Sorge, dass diese Entwicklung die Gesellschaft spalten wird in jene, die Zugang zu Technologie und Wissen haben, und jene, die durch den technologischen Fortschritt abgehängt werden?
Darauf habe ich keine Antwort – außer, dass wir alle immer weiterlernen müssen. Auch Sie. Strengen Sie sich also bitte an.
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