Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Womenomics – Frauen an die Arbeit!

Christiane Süßel
Christiane Süßel

Frauen sind in Japans Arbeitswelt unterrepräsentiert. Viele tauschen das Businesskostüm gegen die Kittelschürze, sobald sie verheiratet oder Mutter sind. Wenn sie arbeiten, dann oft nur Teilzeit. Regierungschef Abe Shinzō versucht nun mit seiner Womenomics-Strategie, Frauen für den Arbeitsmarkt zu gewinnen.

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Rush hour in Tōkyō: Ministerpräsident Abe will den Anteil der arbeitenden Frauen bis 2020 auf 30% anheben. (c) CC BY 3.0 Chris 73

Offiziell sind Japans Frauen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gleichberechtig. Doch von tatsächlicher Gleichstellung kann nicht die Rede sein. Die patriarchale Gesellschaft verbannte japanische Ehefrauen lange Zeit an den Herd. Daran änderte auch das 1986 erlassene und 1997 überarbeitete Gesetz zur Chancengleichheit in der Arbeitswelt (nihon ni okeru danjo byōdō koyōkikai kintōhō 日本における男女平等雇用機会均等法) wie auch das Gleichstellunggesetz von 1999 (danjo kyōdō sankaku shakai kihonhō 男女共同参画社会基本法) nicht viel.

Die mangelnde Partizipation zeichnet ein Jammerbild: Immer noch geben mehr als die Hälfte der Frauen in Japan ihren Job aufgeben, sobald sie Kinder bekommen. Nur 10% aller Führungspositionen sind mit Frauen besetzt. In den Vorständen der großen Konzerne sind Frauen nur zu 1% vertreten. Konzerne wie Japan Airlines, Panasonic oder Itochu sorgen für Aufsehen, indem sie Frauen in ihre Vorstände berufen. Der Global Gender Gap Report 2017 des World Economic Forum spiegelt dieses Desaster: Bei der Gleichberechtigung rangiert Japan auf Platz 114 von 144 Ländern weltweit. In Sachen Frauen in gehobenen Positionen als politische Mandatsträger oder hohe Beamte reicht es für Japan gar nur auf Platz 123. So sitzen im Unterhaus nur 9% Frauen.

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Japans Rollenverteilung sieht immer noch vor, dass Frauen nach der Hochzeit und der Geburt von Kindern zu Hause bleiben und sich um die Kinder und den Haushalt kümmern. Copyright unknown

Ministerpräsident Abe Shinzō hat Handlungsbedarf erkannt und seine Bemühungen mit dem Schlagwort Womenomics zusammengefasst. Es fügt sich ein in Abes Reformvorhaben, die als Abenomics bekannt sind. Drei Pfeile hat dieses Programm: 1. Aggressive Geldpolitik, 2. Ein umfassendes Konjunkturprogramm und 3. Strukturreformen. Ein Teil eben jener Strukturreformen sind die Arbeitsmarktreformen, die Abe mit Womenomics anstrebt. Ziel ist es, bis 2020 rund 30% aller Führungspositionen mit Frauen zu besetzen und die Erwerbsquote der Frauen im Alter von 25 bis 44 Jahren auf 73% anzuheben. Abes Motto: „Eine Gesellschaft, die alle Frauen glänzen lässt“ (subete no josei ga kakayaku shakai すべての女性が輝く社会).

Weniger bekannt ist, dass Womenomics dabei nicht von Abe selbst formuliert wurden. Es ist die in den USA geborene Tochter japanischer Einwanderer, Kathy Matsui, die als Strategin für die US-Investmentbank Goldman Sachs bereits 1999 den Terminus prägte. Damals arbeiteten nur knapp 57% der japanischen Frauen im arbeitsfähigen Alter. Ihre Argumentation: Vor dem Hintergrund einer schnell alternden Gesellschaft und einem Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen sei es angesagt, Frauen ins Erwerbsleben zu integrieren. Dies sei wirksamer als die Zahl der Einwanderer zu erhöhen oder die Geburtenrate anzuheben. Sie rechnet vor, dass durch die Integration von Frauen ins Arbeitsleben das Bruttoinlandsprodukt Japans deutlich angeschoben werden könne. Abe übernahm das Programm schließlich 2012, als er seine Abenomics formulierte.

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In Führungspositionen sind japanische Frauen weiterhin unterrepäsentiert. (c) CC BY 2.0 by David Lisbona

Zwar hat der Anteil der arbeitenden Frauen jüngst jenen Quotienten der USA überrundet, doch sind Frauen in Japan immer noch weitaus schlechter bezahlt als ihre arbeitenden amerikanischen Schwestern. Der Grund: Eine Vielzahl der wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrten Japanerinnen steht bei Restaurantketten oder Convinience Stores hinterm Tresen und arbeitet in der Mehrzahl in Teilzeit. Im Durchschnitt verdienen japanische Frauen rund ein Viertel weniger als Männer. Eine faktische Hürde für die Gleichberechtigung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ist auch die Einkommenssteuer. Das Steuersystem sieht für Ehepaare einen steuerlichen Abzug vom Einkommen des Hauptverdieners von 380.000 Yen (ca. 2800 Euro) pro Jahr vor. Verdient aber der zweite Ehepartner mehr als 1,03 Mill. Yen (ca. 7600 Euro) im Jahr, so fällt diese Steuererleichterung weg. Arbeitende Frauen versuchen daher meist, ihr Einkommen unter dieser Grenze zu halten. Zudem kann der zweite Ehepartner, in der Regel die Ehefrau, bis zu einem Einkommen von 1,3 Mill. Yen (ca. 9600 Euro) jährlich, beim Hauptverdiener mitversichert sein. Wird diese Grenze überschritten, müssen sich die Zweitverdiener selbst versichern.

Abes Ziele: Bis 2020 sollen rund 3,15 Millionen Frauen wieder ins Arbeitsleben zurückkehren und der Anteil der arbeitenden Frauen so auf 73% ansteigen. Um den Frauen die Rückkehr in den Beruf zu ebnen, soll die Zahl der Kindertagesstätten angehoben und mehr Erzieher ausgebildet werden. Beim World Assembly for Women (WAW) konnte Abe im November 2017 mit ersten Erfolgen prahlen: In den fünf zurückliegenden Jahren haben 1,5 Mill. Frauen mehr eine Arbeit aufgenommen. Damit liegt die Quote der arbeitenden Frauen in Japan über der Rate der USA. Doch peinlich für Abe: In seinem vierten Kabinett sind nur zwei der 19 Posten mit Frauen besetzt.

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Trotz Womenomics: Auch im 4. Abe-Kabinett sind Frauen unterrepräsentiert, CC BY 4.0

Wie Phoebe Stella Holdgrün, Japanologin und Genderforscherin, in einem Beitrag in dem Sammelband „Japan in der Ära Abe“ schreibt, hat Abe in seinem Regierungsapparat diverse Institutionen und Zuständigkeiten etabliert, die mit der Politik zur Förderung von Frauen befasst sind. Doch: „Bisher kommen keine harten regulativen Instrumente wie Quoten oder Sanktionen zur Anwendung. Auch werden keine nennenswerten finanziellen Anreize gesetzt“. Holdgrün schlussfolgert, dass Womenomics daher alles andere als ein progressive Gleichstellungpolitik sei: „Die öffentlichkeitswirksame Art und Weise, wie Abe sein Programm „verkauft“, legt eher den Gedanken nahe, dass hier strategisch um Wählerunterstützung geworben werden soll.“

Spiegelt man Abes Reformen an der Realität der japanischen Arbeitswelt, so wird klar, dass strukturelle Widerstände schwer zu brechen sein dürften. Lange Arbeitszeiten, viele Überstunden, lange Pendlerwege und die Gewohnheit auch nach der Arbeit, gemeinsam mit dem Team ein Feierabendbier zu nehmen, machen berufstätigen Frauen und Müttern in Japan die Doppelbelastung und damit eine Gleichstellung am Arbeitsplatz schwer. „Ohne den Abbau dieser strukturellen Hürden, dürften Abes Womenomics ein Papiertiger bleiben“, urteilt Holdgrün.

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Enkai - Zusammenkünfte nach Feierabend sind beliebt,um sich informell über die Arbeit auszutauschen und wichtige Netzwerke zu schmieden. Frauen können an diesen Treffen oft aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht teilnehmen. (c) CC BY 2.0 Josh Berglund

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