Das Verhältnis zwischen Japan und dem Nachbarn Nordkorea könnte schlechter kaum sein. Seitdem auf dem nordkoreanischen Territorium nach dem Korea-Krieg (1950 bis 1953) eine kommunistische Diktatur etabliert wurde, stehen sich Japan und die Demokratische Volksrepublik Korea feindlich gegenüber – sowohl politisch als auch militärisch. Während das gänzlich abgeschottete Land ein Atomprogramm vorantreibt, leidet die Bevölkerung immer wieder unter Missernten und Hunger. Japan versucht an der Seite der USA und Südkoreas die Diktatur in Verhandlungen einzubinden, droht dabei immer wieder mit Handelssanktionen; macht Pjöngjang Zugeständnisse, bricht das Land diese schon im nächsten Moment wieder.
Nordkorea entführt Japaner
Mit Spionageabsichten landeten in den 1970er und 1980er Jahren zumeist an der Küste von Niigata nordkoreanische Stoßtrupps und entführten junge Japaner. Die Gekidnappten mussten Nordkoreanern Japanisch beibringen und sie in Bräuche einweisen, damit diese dann in Japan als Spione eingesetzt werden konnten. Die Diktatoren in Pjöngjang stritten diese Entführungen jahrelang ab. Inzwischen sind mehr als ein Dutzend dieser Vorfälle anerkannt. Die tatsächliche Zahl dürfte darüber liegen. Die Entführungen (rachimondai 拉致問題) sind immer wieder Gesprächsstoff zwischen Nordkorea und Japan.
US-Truppen auf japanischem Boden
Japan steht im nordkoreanischen Visier, weil auf dem Archipel mehr als 30.000 US-amerikanische Soldaten stationiert sind – der Großteil davon auf Okinawa. Die US-Truppen sollen die Sicherheit Japans als auch Taiwans und Südkoreas garantieren. An gemeinsamen Truppenübungen mit der japanischen Selbstverteidigungsarmee (jieitai 自衛隊) nehmen auch südkoreanische Truppen teil. Dieses Säbelrasseln wird sowohl von Nordkorea als auch von der Volksrepublik China mit Argwohn betrachtet.
Nordkoreas Atomwaffenprogramm
Wichtigster Punkt der Auseinandersetzungen: das Atomprogramm der Nordkoreaner. Schon Staatsgründer Kim Il-Sung strebte seit den 1950er Jahren danach, sein Land mit Atomwaffen auszurüsten. Als Pjöngjang 1985 dem Atomwaffensperrvertrag beitrat, nahm der Westen dies mit Erleichterung auf. 1992 wurde die koreanische Halbinsel schließlich für atomwaffenfrei erklärt, und die USA zogen ihre atomwaffenfähigen Systeme vom Südteil der Halbinsel ab. 1994 trat die nordkoreanische Diktatur dann dem Genfer Rahmenabkommen bei. Der Vertrag sah vor, dass Nordkorea auf sein Atomwaffenprogramm verzichtet und die USA im Gegenzug im Land zwei Leichtwasserreaktoren zur Stromgewinnung bauen und finanzieren. Um die Ziele umzusetzen, wurde 1995 die KEDO (Korean Peninsula Energy Development Organisation) gegründet, der zunächst die USA, Südkorea und Japan und später weitere Staaten beitraten. Die KEDO trieb den Bau der Reaktoren voran. Doch es gab immer wieder Gerüchte um unterirdische nordkoreanische Atomanlagen. 1998 zündete der Norden schließlich eine Mittelstreckenrakete, die in die Japanische See flog.
Einbindung Nordkoreas fehlgeschlagen
Vor allem in den USA drängte die Öffentlichkeit in der Folge auf eine Revision des Genfer Rahmenvertrags. 2001 reihte US-Präsident George W. Bush das Land in die Gruppe der Schurkenstaaten ein. Als es dann 2002 Gerüchte gab, der Norden reichere Uran an, stellte die KEDO ihre Öllieferungen an Pjöngjang ein. Kim Jong-Il trat 2003 sodann aus dem Atomwaffensperrvertrag aus und nahm den Betrieb eines alten Reaktors wieder auf. 2006 und 2009 registrierte der Westen Atomwaffentests. Im Rahmen von Sechs-Parteien-Gesprächen versuchten die USA, Südkorea, Japan, Russland und China in der Folge, die atomare Bewaffnung des Nordens abzuwenden. Da Pjöngjang den Forderungen nicht nachkam, wurde die KEDO 2006 geschlossen und die Bauarbeiten an den Reaktoren eingestellt.
Neue Zuspitzung der Lage
Seitdem der Enkel des Staatsgründers, Kim Jong-Un, 2011 an die Macht kam, erhitzt sich die Lage abermals. Das US-südkoreanische Institut der Hopkins School of Advanced International Studies „38 North“ spricht von insgesamt 98 ballistischen Raketen- und von vier unterirdischen Atomtests. 2013 verhängte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aufgrund wiederholter Raketentests Sanktionen gegen das Land. Befeuert durch die harschen Worte seitens des neuen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump spitzte sich die Lage im Sommer 2017 weiter zu. Kims Truppen schossen am 4. und 28. Juli sowie am 29. August Testraketen ab. Eine am 15. September gezündete Mittelstreckenrakete flog über Japan hinweg und landete rund 1200 Kilometer östlich von Hokkaidō im Pazifik. Mit der neuen Reichweite können die Nordkoreaner auch amerikanisches Territorium unter Beschuss nehmen. Am 3. September zündete Pjöngjang zudem eine Atombombe, womöglich eine Wasserstoffbombe, deren Sprengkraft auf bis zu 250 Kilotonnen geschätzt wird. Experten rechnen damit, dass Pjöngjang Raketen mit Atomsprengköpfen bestücken kann und über bis zu 25 nukleare Sprengsätze mit einer Sprengkraft von 15 bis 25 Kilotonnen verfügt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte die jüngsten Tests aufs Heftigste. Japans Ministerpräsident Abe Shinzō drängte in seiner Rede vor den Vereinten Nationen am 20. September darauf, die Sanktionen gegen Nordkorea zu verschärfen. „Was wir nun brauchen, ist nicht Dialog, sondern Druck“, appellierte der Staatschef.
Krise bindet Japan noch stärker an die USA
Doch was bedeutet die jüngste Zuspitzung für Japan? Innenpolitisch habe die nordkoreanische Bedrohung dazu beigetragen, dass Premierminister Abe am 22. Oktober abermals unangefochten die Unterhauswahlen für sich und seine Liberaldemokratische Partei entscheiden konnte, urteilt Gabriele Vogt, Japanologie-Professorin an der Universität Hamburg: „In einer Atmosphäre der Verunsicherung stellten viele Wähler bei ihrer Wahlentscheidung die nationale Sicherheit über andere Themen, mit denen die Oppositionsparteien versuchten zu punkten“. Außenpolitisch werden die nordkoreanischen Raketentests Japans Außen- und Sicherheitspolitik noch enger an die USA binden, so Vogt: „Kurz vor dem Besuch von US-Präsident Trump wird in Japan darüber spekuliert, dass strittige Themen, wie etwa Freihandel, nicht einmal auf der Tagesordnung der Gespräche zwischen Trump und Abe stehen werden.“ Trump reist Anfang November nach Asien.
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