Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Das japanisch-europäische Freihandelabkommen: Gegengewicht zu Trumps „America First“-Policy

Christiane Süßel
Christiane Süßel

Das in diesem Jahr unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU intensiviert die Vernetzung beider Wirtschatfsräume. Doch was bedeutet die Vereinbarung für die Bürger und Unternehmen der beteiligten Länder? Christiane Süßel untersucht die wesentlichen Inhalte und deren mögliche Auswirkungen.

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Das Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU (Japan-EU Free Trade Agreement; JEFTA) wurde nach fünf Jahren Verhandlungen Mitte Juli 2018 unterzeichnet und wird nach der Zustimmung durch das Europäische Parlament voraussichtlich 2019 in Kraft treten. Es ist ein Gegengewicht zur Handelspolitik des US-Präsidenten Donald Trump, der sowohl das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa (TTIP) als auch aus jenes zwischen den USA und Pazifik-Anrainern (TTP) auf Eis gelegt hat. JEFTA kann der Bevölkerung in Japan und der EU Vorteile bringen. Das sehen – mit kleinen Abstrichen – selbst kritische Verbraucherschützer.

Japans Weintrinker und Käseliebhaber dürfen sich freuen. Sie werden künftig wohl beim Kauf von Käse und einem edlen Tropfen europäischen Weins weit weniger tief in die Tasche greifen müssen. Umgekehrt dürfte der Kauf eines japanischen Autos in der EU lukrativer werden. Tritt das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan in Kraft, werden die Zölle auf diese Produkte teilweise ganz wegfallen oder deutlich sinken, was voraussichtlich zu Preissenkungen führen wird.

Angela Merkel und Shinzō Abe
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premier Minister Shinzō Abe stehen mit JEFTA für den Freihandel in der Welt ein. (CC BY 4.0) 内閣官房内閣広報室

Was genau steht hinter dem Abkommen?

Freihandel ist ein wichtiger Bestandteil von Abenomics, der Wirtschaftspolitik von Japans Ministerpräsident Shinzo Abe. Nachdem die USA sich aus den Verhandlungen sowohl zum Handelsabkommen TTIP als auch zum TTP zurückgezogen haben, legt Japans Premier seinen Fokus auf das Abkommen mit der EU. Der Vertrag macht für beide Seiten Sinn. 2016 lag das Handelsvolumen zwischen Japan und der EU bei 125 Mrd. Euro. Beide Regionen stehen für rund 30 % des globalen Handelsvolumens. Japan ist für die EU der sechstgrößte Handelspartner; die EU für Japan der drittgrößte. Bislang waren 70 % aller japanischen Exporte in die EU mit Zöllen belegt, während umgekehrt bislang schon 70 % der europäischen Exporte nach Japan zollfrei waren. Dank JEFTA sollen 99 % aller EU-Zölle und 94 % aller Japan-Zölle wegfallen. Bisher waren vor allem den europäischen Ländern Japans nicht-tarifäre Handelshemmnisse ein Dorn im Auge. Anstelle von Zöllen sperrten Normen und Vorgaben die europäischen Handelsströme nach Japan. EU-Unternehmen hatten zudem bislang nur geringe Chancen bei Ausschreibungen – etwa im Bereich des Schienennetzes – in Japan zum Zug zu kommen. Damit soll künftig Schluss sein.

Containerschiff
Das Freihandelsabkommen JEFTA wird den Außenhandel zwischen der EU und Japan deutlich anschieben.

Zölle fallen auf breiter Linie

In Punkto Zöllen liegt Japan in erster Linie der europäische Kfz-Markt am Herzen. Vorbild für die Japaner ist das EU-Freihandelsabkommen mit Südkorea, das die koreanischen Autoexporte in die EU angeschoben und zugleich den Absatz der japanischen Konkurrenz in der EU zurückgedrängt hat. Der EU-Import-Zoll auf japanische Automobile liegt bislang bei 10 % und soll binnen sieben Jahren komplett wegfallen. Für Kfz-Teile könnte das schneller gehen. Auf der EU-Seite versprechen sich die Handelspartner von der Öffnung von Japans Agrarmarkt neue Absatzchancen. Japans Landwirtschaftssektor ist bislang hoch subventioniert und durch Importzölle geschützt. Die Zolltarife liegen im Schnitt bei 13 %; bei Rindfleisch und Käse aber bei satten 40 %, bei Schokolade bei 30 % und bei Wein bei 15 %. Diese Zölle auf Lebensmittel sollen – mit Ausnahme von Reis und Seetang – teilweise sofort, teilweise aber auch erst stufenweise, binnen 15 Jahren wegfallen. Künftig dürften so vor allem europäische Molkereiprodukte aber auch Fleisch und Getränke den japanischen Markt erobern und dort die Preise drücken.

Wie wirkt sich das neue Abkommen auf die Wirtschaft aus?

Die Bertelsmann Stiftung hat das ifo-Institut mit Berechnungen betraut und auf Basis des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus dem Jahr 2014 einen Langzeiteffekt von zehn bis zwölf Jahren errechnen lassen. Das Ergebnis: In einem konservativen Szenario dürfte das Wirtschaftswachstum der EU um 0,06 % zulegen. Japans BIP würde zugleich um 0,23 % und Deutschlands um 0,11 % wachsen. Im ambitionierten Szenario wächst die EU um 0,29 %, Japan gar um 1,63 % und Deutschland um 0,68 %. Der Handel zwischen beiden Regionen würde florieren: Deutschlands Exporte nach Japan würden 72 % (konservativ gerechnet) bzw. 167 % (ambitioniert gerechnet) wachsen. Umgekehrt könnten Japans Exporte nach Deutschland gar um 60 % bzw. 169 % anziehen und in die 28 EU-Staaten um 55 % bzw. 162 %.

Toyota Prius
Japan erhofft sich durch wegfallende Zölle einen höheren Absatz von Pkw in Europa.

Verarbeitendes Gewerbe als Gewinner

Doch nicht alle Branchen sind gleich von dem Freihandelsabkommen betroffen. In Japan profitieren laut Bertelsmann vor allem die Sektoren Computer und Elektronik, Maschinenbau und die Automobilindustrie. In der EU dürften die Branchen Pharmazeutische Produkte und Großhandel wachsen. In Deutschland stehen die Pharma-, Computer- und Elektronikbranche und die optische Industrie auf der Gewinnerliste. Während im Verarbeitenden Gewerbe laut Bertelsmann-Studie beide Seiten zu den Gewinnern zählen, kommt es in Japan womöglich in den Bereichen Pharmazeutische Produkte, im Großhandel wie auch bei Nahrungsmittel allerdings zu kleinen Wachstumseinbußen. Die EU müsse im Bereich Maschinen und Ausrüstungen sowie bei Dienstleistungen in den Bereichen Programmierung und Rechtsberatung mit etwas geringerem Wachstum rechnen, so Bertelsmann.

Wie profitieren die Verbraucher?

Dr. Linn Selle, Außenhandelsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), bringt es auf den Punkt: „JEFTA ist keine Gefahr für Verbraucher, aber auch kein großer Wurf.“ Tendenziell sei das Abkommen besser verhandelt als etwa TTIP. So sei etwa der Datenschutz klar geregelt und für Importe in die EU gelte weiter EU-Recht. Andererseits gebe es neben den vereinbarten Zollsenkungen Lücken, wie etwa bei einer verbraucherfreundlichen Ausgestaltung beim Online-Handel oder in der Telekommunikation. In beiden Bereichen agiert der Verbraucher immer mehr global, was diese Inhalte eigentlich relevanter machen sollte. Kritisch sieht Selle auch das Vorsorgeprinzip, das in der EU recht streng gefasst ist. Es schreibt fest, dass keine schädlichen Produkte auf den Markt gebracht werden dürfen bzw. diese vom Markt genommen werden müssen, wenn von Ihnen ein Risiko ausgehen könnte. „Japan kennt das in dieser Form nicht“, erklärt Selle: „Japanische Unternehmen müssen sich aber beim Export in die EU an EU-Regularien halten.“ Positiv wertet Selle daher, dass auch künftig Lebensmittel kontrolliert werden und Importstopps möglich bleiben. Das bedeutet auch, dass etwa die EU-Kennzeichnungspflicht bei genmanipulierten Produkten bestehen bleibt.

Tabletten
Während in Europa Pharmazeutische Produkte von dem Freihandelsabkommen auf der Gewinnerliste stehen, dürfte es auf der japanischen Seite hier zu leichten Einbußen kommen. (CC0 1.0) pixabay

Selle: „Wir müssen abwarten, wie sich JETFA nach seinem Inkrafttreten entwickelt. Vorausgesetzt die Unternehmen geben die Zollsenkungen an die Verbraucher weiter, was nicht garantiert ist, kann JEFTA langfristig zu einer größeren Produktauswahl und zu geringeren Preisen führen. Insofern bringt das Abkommen Vorteile.“ In der EU dürften neben Autos auch Elektronikprodukte sowie Fisch billiger werden, umgekehrt in Japan Nahrungsmittel wie Wein und Käse. Doch gibt es auch Pferdefüße? Ein viel diskutierter Streitpunkt in allen Handelsabkommen ist der Investitionsschutz. Hierbei geht es um die Frage, welchen gesetzlichen Schutz Unternehmen in dem Land, in dem sie investieren, genießen. Kritisch ist hierbei, ob Unternehmen bei Anrufung exterritorialer Gerichte nationale Gesetze aushebeln können. Die EU und Japan kamen überein, den Investitionsschutz in einem separaten Abkommen festzuzurren. Wie dieses ausgestaltet wird, bleibt abzuwarten.

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