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Nach Kishida-Rücktritt: Wer wird Japans neuer Premierminister?

Matthias Reich
Matthias Reich

Nun ist es doch passiert: Premierminister Kishida, verfolgt von immer schlechter werdenden Umfrageergebnissen, gab bekannt, im September bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der Liberaldemokraten nicht mehr anzutreten. Damit bekommt Japan einen neuen Premierminister. Doch wer macht das Rennen?

Der japanische Premierminister Fumio Kishida. © Alamy Stock Foto/SOPA Images Limited

Fast genau drei Jahre (und damit länger als der Durchschnitt) hat Kishida Fumio als Parteivorsitzender der Liberaldemokraten sowie als Premierminister Japans durchgehalten. Anfangs war die Euphorie verhältnismäßig groß: Nach dem ewig polternden, bärbeißigen Abe Shinzō endlich ein besonnen agierender, hoch gebildeter Premierminister, der sogar hervorragend Englisch spricht und damit auf dem außenpolitischen Parkett eine gute Figur machen kann.

Doch die Vorschusslorbeeren waren schnell verspielt. Die Liberaldemokraten schlitterten von einem Skandal in den nächsten, und so sehr sich Kishida auch mühte – er konnte die Partei nicht zur Räson bringen. Letztendlich entstand beim Volk der Eindruck, dass der Premier nur mit seiner Partei beschäftigt war, während dringende Probleme, ob zur Chefsache erklärt oder nicht, so gut wie gar nicht angepackt wurden. Hinzu kommt, dass der Großteil der Bevölkerung aufgrund der stark gestiegenen Preise das dunkle Gefühl hat, dass sich die Dinge während seiner Amtszeit langsam, aber sicher zum Schlechteren gewandelt haben.

Die Kandidaten positionieren sich

Laut ungeschriebenem Gesetz wird der Parteivorsitzende der Liberaldemokraten automatisch Premierminister des Landes – sofern die Partei die Mehrheit im Land haben, was jedoch seit Ende des Zweiten Weltkrieges fast immer der Fall war. Die Wahl des Parteivorsitzenden geschieht, das ist logisch, innerhalb der Partei. Das wiederum bedeutet, dass der japanische Premierminister nicht vom Volk gewählt wird. Und da die Partei ihre Vorsitzenden gerne austauscht, vollfüllen die meisten Premierminister nicht die ganze vierjährige Amtszeit. Der 2022 verstorbene Abe Shinzō war da eine der wenigen Ausnahmen.

Kaum hatte Kishida bekanntgegeben, nicht mehr für das Amt zu kandidieren, positionierten sich seine potenziellen Nachfolger. Diese müssen bis zum 12. September ihre Kandidatur einreichen – danach beginnt die Mitgliederbefragung, die bis zum 26. September dauert. Am 27. September dann wird das Ergebnis bekanntgegeben. Die Partei nennt dieses Spektakel auf der eigenen Webseite “The Match” und fragt bedeutungsschwanger: “Nach wem verlangt diese Ära?”.

Bis zum 10. September haben acht Kandidaten offiziell ihre Kandidatur eingereicht:

Kobayashi Takayuki (小林鷹之), 50, ehemaliger Staatsminister für wirtschaftliche Sicherheit

Ishiba Shigeru (石破茂), 68, ehemaliger Hauptgeschäftsführer der Liberaldemokraten

Kōno Tarō (河野太郎), 61, amtierender Digitalminister

Hayashi Yoshimasa (林芳正), 63, amtierender Kabinettssekretär

Shigeki Toshimitsu (茂木敏充), 68, amtierender Hauptgeschäftsführer der Liberaldemokraten

Koizumi Shinjirō (小泉進次郎), 43, ehemaliger Umweltminister

Takaichi Sanae (高市早苗), 63, amtierende Staatsministerin für wirtschaftliche Sicherheit

Katō Katsunobu (加藤勝信), 68, ehemaliger Kabinettssekretär

Die Kandidaten haben einen teilweise sehr unterschiedlichen Lebenslauf – und dementsprechend auch in gewissen Punkten wie Außen-, Wirtschafts- und Energiepolitik sowie in Fragen der sozialen Absicherung grundverschiedene Ansichten. Was allerdings nur bedingt von Bedeutung ist, denn fast noch wichtiger bei der Wahl zum Parteivorsitz ist die Frage, welche prominenten Politiker wen unterstützen.

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Unterschiedliche Kandidaten

Ishiba Shigeru zum Beispiel ist ein liberaldemokratisches Urgestein und stellt sich nun schon zum fünften Mal zur Wahl – bisher unterlag er jedes Mal, und auch dieses Mal scheint ihm der Rückhalt (zumindest unter den Parlamentsabgeordneten) zu fehlen. Trotzdem werden ihm große Chancen eingeräumt: Bei einer NHK-Umfrage vom 9. September lag er bei der Frage, wer am geeignetsten als Parteivorsitzender wäre, mit 28 % vorn. [1] Mit 23 % knapp hinter Ishiba liegt Koizumi Shinjirō, Sohn des charismatischen, aber auch sehr umstrittenen Ex-Premiers Koizumi Junichirō (2001-2006). Er gilt im Allgemeinen nicht als der hellste Stern am Firmament, doch als ihn ein Journalist damit konfrontierte, antwortete der überaus junge Kandidat äußerst ruhig und besonnen, dass er ja auch nicht gedenke, das Land ganz allein zu führen – wichtig sei, dass das Team dabei zusammenarbeite.

Der ehemalige japanische Umweltminister Koizumi Shinjiro hebt die Faust, nachdem er am Sonntag, den 8. September 2024, in Yokohama eine Wahlkampfrede für die bevorstehende Präsidentschaftswahl gehalten hat. © Alamy Stock Foto/Aflo Co. Ltd.

Endlich eine Frau an der Spitze?

Vielleicht wagen die Parteimitglieder, mit Koizumi einen wirklich jungen Politiker ans Ruder zu lassen, Vielleicht wagen sie es aber auch, erstmals eine Frau zum Parteivorsitz zu küren – bei Umfragen liegt die 63-jährige Takaichi Sanae nämlich auf Platz 3. Bei der Wahl 2021 unterlag sie noch Kishida, doch dieses Mal werden ihr durchaus Chancen eingeräumt. Takaichi ist kein unbeschriebenes Blatt: Im Jahr 2023 gelang die Opposition in Besitz eines Memorandums aus dem Ministerium für Inneres und Kommunikation, in dem vorgeschlagen wurde, die Pressefreiheit einzuschränken, in dem man politischen Druck auf regierungskritische Medien ausübe (es ging um die Zeit, in der Abe Shinzō Preminierminister war). Takaichi war zu jener Zeit Ministerin eben jenes Resorts, leugnete die Echtheit des Dokuments und bot an, ihren Rücktritt einzureichen, sollte es echt sein. Nun, die Echtheit wurde bewiesen – doch Takaichi blieb.

Das Rennen ist zurzeit noch offen – die Frage ist nur, ob die neue Person an der Spitze ziemlich, sehr oder ultrakonservativ ist. Doch wer es auch wird: Der oder die Nachfolger:in von Kishida wird viel Zeit damit aufbringen müssen, die Partei bei Stange zu halten und in Gleichklang zu bringen, um sich den tatsächlich wichtigen Aufgaben widmen zu können.


[1]  https://www3.nhk.or.jp/news/html/20240909/k10014577121000.html

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