Wie japanische Zeitungen heute berichteten, empfahl das sicherheitspolitische Gremium der regierenden Liberaldemokratischen Partei Japans (LDP) der Regierung unter Premierminister Abe am vergangenen Mittwoch, Nordkoreas Raketenstützpunkte anzugreifen, sollte das Regime seinerseits Raketen auf Japan schießen.
Erlaubnis zum Angriff? Japans verfassungsrechtliche Zäsur
Sollte die japanische Regierung die Empfehlung des Gremiums umsetzen, wäre dies der endgültige Bruch mit der Nachkriegs-Verfassung. Diese beschränkt Japans militärische Optionen seit 1947 auf die reine Selbstverteidigung. Angriffe auf das Territorium anderer souveräner Staaten, auch solche präventiver Natur, sind verfassungsrechtlich untersagt.
In den letzten Monaten hatte Nordkorea immer wieder Raketentests durchgeführt; einige der Flugkörper waren lediglich 200 Kilometer vor Japans Küste ins Meer gestürzt. Wie die Führung des autoritären Staates später bekannt gab, sollte dabei ein Angriff auf die in Japan befindlichen Stützpunkte des US-Militärs simuliert werden.
Onodera Itsunori, ehemaliger Verteidigungsminister Japans und Vorsitzender des Gremiums, verwies auf die gestiegene Bedrohung durch nordkoreanische Raketen als Grund für die Empfehlung. Damit schlägt Onodera in dieselbe Kerbe wie Premierminister Abe, der vor einer Eskalation der Bedrohungslage warnte (Japan Digest berichtete).
Die Regierung selbst hält sich bisher mit konkreten Plänen bedeckt. Premierminister Abe gab im Februar bei einer Parlamentssitzung lediglich an, die Regierung würde eine wissenschaftliche Untersuchung möglicher Reaktionen auf einen potentiellen nordkoreanischen Raketenangriff anordnen.
Seit mehreren Jahrzehnten machen konservative bis nationalistisch ausgerichtete Politiker in Japan immer wieder Vorstöße, Japans verfassungsrechtliche Beschränkung auf die reine Selbstverteidigung aufzuheben. Dabei werden beispielsweise Raketentests immer wieder als Gelegenheit herangezogen, in sicherheitspolitischem Aktionismus die Verfassung auszuhöhlen.
Erweiterte Abschreckung: Funktion und Entwicklung der japanischen Raketenabwehr
Japans bisherige Raketenabwehrsysteme – das Patriot Advanced Capability-3 System zu Land sowie Standard Missiles-3 von Aegis-Zerstörern zur See – fangen feindliche Raketen erst über japanischem Staatsgebiet bzw. internationalen Gewässern ab.
Wie Michishita Narushige, Professor für Internationale Beziehungen des National Graduate Institute for Policy Studies der Zeitung Japan Times gegenüber angab, läge die Einführung von Waffensystemen, die Nordkoreas Raketenstützpunkte angreifen könnten, vor allem in der Abschreckung. Ein Raketenangriff auf Japan würde sich für das Regime nicht lohnen, wenn in der Folge mit einem Neutralisierungs-Schlag zu rechnen sei. Michishita stufte die Einführung von Waffensystemen, die die theoretische Fähigkeit besäßen, Nordkoreas Raketenabschussrampen zu zerstören, entsprechend als defensive Maßnahme ein.
Neben verfassungsrechtlichen Bedenken steht auch die Frage im Raum, ob die Zerstörung nordkoreanischer Raketensysteme praktisch überhaupt umsetzbar ist. Rüstungsexperten gehen davon aus, dass die nordkoreanischen Abschussrampen, ebenso wie das Patriot System, mobil und damit nur schwer zu neutralisieren sind.
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