Wie die Japan Times heute berichtete, könnte die Lösung der Territorialproblematik um die Kurilen-Inseln keine Bedingung mehr für einen Friedensvertrag zwischen Russland und Japan sein. Die Zeitung beruft sich auf Quellen aus Regierungskreisen.
Zwischen Japan und Russland existiert auch 71 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch kein Friedensvertrag. Auf der Agenda des japanischen Premierministers Abe steht aber seit längerem eine stärkere Annäherung an Russland.
Im Dezember wird der russische Präsident Wladimir Putin zu einem Japan-Besuch erwartet. Beide Regierungschefs haben sich seit Abe Shinzōs Regierungsantritt 2012 bereits vierzehn Mal getroffen. Der mögliche Verzicht Japans auf die gleichzeitige Erfüllung seiner Gebietsansprüche gegenüber Russland lässt Beobachter hoffen, dass dieser Besuch einen Durchbruch für den Friedensvertrag bringen könnte.
In den bisherigen Verhandlungen hatte die Abe-Regierung das Ziel verfolgt, mindestens zwei der vier umstrittenen Inseln zurückzuerlangen. Es handelt sich dabei um die Insel Shikotan 色丹島 sowie die Inselgruppe Habomai 歯舞群島. Etorofu 択捉島 und Kunashiri 国後島 sollen russisch bleiben. In Japan werden diese vier Inseln als “Nördliche Territorien” (hoppō ryōdo 北方領土) bezeichnet.
Die Kurilen-Problematik erwächst aus unklaren Kompetenzen zu den verschiedenen Entscheidungszeitpunkten. Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 hatten die späteren Siegermächte entschieden, Russland das zum damaligen Zeitpunkt japanisch verwaltete Sachalin sowie die Kurilen zuzuteilen. Japan verzichtete auch im Friedensvertrag von San Francisco 1951 auf die Gebiete, die Sowjetunion unterzeichnete diesen allerdings nicht. Dafür hält eine bilaterale Deklaration von 1956 fest, dass zwei der vier Kurilen-Inseln im Falle eines Friedensvertrags an Japan zurückgegeben werden sollen. Zudem existieren mehrere Dokumente aus dem 19. Jahrhundert, in denen alle vier Inseln als Japan zugehörig klassifiziert werden.
Stimmen die Berichte, soll die Beilegung des Territorialstreits keine Bedingung für einen Friedensvertrag mehr sein. Von der Tagesordnung wird die Thematik aber nicht verschwinden. In künftigen Gesprächen werde die Formulierung „Übergabe der Inseln“ anstelle von „Rückgabe“ verwendet, so die Regierungsquelle.
Man verfolge langfristig das Ziel, eine Übergabe aller vier Inseln zu erreichen. Dabei würde sich die japanische Regierung auf die Tōkyōter Deklaration von 1993 mit der Russischen Föderation beziehen. Darin heißt es, dass ein Friedensvertrag zwischen beiden Ländern auch die Klärung der Territorialfrage beinhalten müsse. Für Japan bedeute dies, dass die vier Inseln wieder japanischer Souveränität unterstellt werden müssten.
In Japan fordern insbesondere nationalistische Stimme seit langem die Rückgabe der Kurilen. Das Umschwenken der japanischen Regierung zeigt vor allem, dass sie den allgemeinen Abschluss eines Friedensvertrages als politisch öffentlichkeitswirksamer bewertet als eine vollumfängliche Lösung.
Nachdem die Verhandlungen in den letzen Jahren immer wieder gescheitert sind und die aktuelle Regierung bereits viel in die Gespräche investiert hat, muss das Projekt Friedensvertrag zu einem erfolgreichen Ende geführt werden – und dafür scheint Abe Zurückhaltung in Kauf zu nehmen.
Die umstrittenen Kurilen befinden sich nördlich der japanischen Hauptinsel Hokkaidō. Die Inseln erstrecken sich über eine Länge von 1200 km.
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