Im Oktober kommenden Jahres will Premierminister Abe Shinzō endlich die landesweite Mehrwertsteuer von 8 % auf 10 % erhöhen. Bisher wurde diese Abgabenänderung von der Regierung schon zwei Mal verschoben, aus Furcht vor ökonomischen und politischen Auswirkungen. Die Unsicherheit in der Terminfestlegung macht die angekündigte Steueranhebung damit alles andere als sicher.
Bereits 2014 erhöhte das Kabinett unter Abe die Verbrauchssteuer um 3 %, was die Binnenwirtschaft des Landes in eine leichte Rezession absacken ließ. Dies verursachte, vor allem unter Bewusstsein der vorangegangenen „Verlorenen Dekaden“, Unmut bei den Bürgern. In den so bezeichneten Jahrzehnten, welche sich nach dem Platzen der japanischen Immobilienblase zu Ende der 1980er ereigneten, stagnierte Japans Wirtschaft für etwa 20 Jahre und verursachte so eine andauernde Deflationsphase des Yen.
Sollte Abe allerdings erneut die Einführung der Steueranhebung verzögern, kann die Opposition dies als Anlass nehmen, das Scheitern des von ihm ins Leben gerufenen Konjunkturprogramms „Abenomics“ zu verkünden. Hintergründe der Steueranhebungen sind u.a. die hohe Staatsverschuldung Japans, gekoppelt mit den Kosten einer alternden Bevölkerung und der Belastung der Rentenkasse.
Abe will zudem sein Wahlversprechen über mehr Kita- und Kindergartenplätze durch die zusätzlichen Steuereinnahmen finanzieren. Die Problematik der teils jahrelangen Wartelisten für Plätze in diesen Einrichtungen wird in den Medien unter dem Begriff taikijidō mondai (Problem der wartenden Kinder) thematisiert.
Nicht unerheblich führt dieser sozialpolitische Missstand dazu, dass berufstätige Paare die Realisierung ihres Kinderwunschs vertagen, da sie schlicht ohne die Hilfe einer Erziehungseinrichtung für Kleinkinder nicht am Arbeitsleben teilhaben können. Sie werden demnach gezwungen, sich zwischen Kind und Karriere zu entscheiden, was sehr häufig, auch wegen des Kostenpunkts ein Kind zu haben, auf den Beschluss zum letzteren hinausläuft.
Abes Plan, einen Teil der neuen Steuereinnahmen für die Errichtung weiterer Kitas und Kindergärten zu verwenden, scheint also, vor allem unter Anbetracht der Demographie einer alternden Bevölkerung, durchaus Sinn zu ergeben und längst überfällig zu sein.
Das Cashback-Modell als Vorbild
Um das erneute Auftreten eines wirtschaftlichen Abschwungs zu vermeiden, werden im Kabinett zurzeit mehrere Ansätze diskutiert. Einer davon ist die Idee eines Cashback-Systems für Endverbraucher, als Wiedergutmachung für deren Mehrausgaben.
Cashback-Modelle sind in Japan sehr weit verbreitet und bieten Ihren Teilnehmern über etliche Plattformen hinweg die Möglichkeit Punkte zu sammeln. So erfasst etwa die T-Point Card Daten von rund 60 Millionen registrierten Nutzern, also knapp der Hälfte der japanischen Bevölkerung.
Neben den umfassenden Daten der gekauften Artikel und des Kaufverhaltens der Kunden, schaffen diese Systeme auch Anreize, nur bei bestimmten Anbietern einzukaufen: Erledigt man z.B. einen Teil seines Einkaufs in Supermarkt A, beschafft sich aber aus Kostengründen in Supermarkt B andere Artikel, kann eine Cashback-Karte dazu verleiten die teureren Waren ebenfalls in Supermarkt A zu erwerben. Man nimmt die höheren Preise in Kauf, aus dem Gedanken heraus, die beim Einkauf gesammelten Punkte und deren Prämien würden dieses Preis-/Leistungsdefizit wieder ausgleichen.
Oftmals ist dies jedoch eine Fehlannahme. Die Belohnungen der Kundentreue in Form von Sachpreisen, Sonderrabatten oder Dienstleistungen werden häufig in die Preisgestaltung der normalen Artikel mit einberechnet. Hinzu kommt noch das Kalkül, dass nicht alle Kunden, die Cashback-Punkte sammeln, diese auch einlösen.
So können Händler eine hohe Kundenbindung mit dem Konzept des „gläsernen Konsumenten“ vereinen und sich Wettbewerbsvorteile sichern. Auch können die erhobenen Daten an Dritte weitergegeben oder Verkauft werden, um gezielt personalisierte Werbeprofile zu erstellen.
Die bereits vorherrschende breite Akzeptanz solcher Systeme, will sich nun auch die japanische Regierung zu Eigen machen, um die anstehende Steuererhöhung für das Volk leichter verdaulich zu gestalten.
Kleine und mittelgroße Unternehmen sollen primär von einem regierungsgestützten Cashback-Modell auf angebotene Waren und Dienstleistungen profitieren. Kunden die in solchen Betrieben bargeldlos einkaufen, sollen über das System Punkte im etwaigen Wert der erhöhten 2 % Mehrwertsteuer erhalten, welche sie später einlösen können.
Über den genauen Umfang und weitere Bedingungen des Modells und dessen Prämien gibt es bislang jedoch keine weiteren Informationen. Fest steht allerdings, dass sich das Kabinett erhofft, so mittelständische Betreibe zu unterstützen und den bargeldlosen Geldtransfer in Japan anzukurbeln.
Im Vergleich zu China und Korea, wo nunmehr die Mehrheit aller Menschen bargeldlos mit Kreditkarten, EC-Karten oder Smartphone-Apps ihre Tagesgeschäfte erledigen, liegt der Anteil der japanischen Bevölkerung, der diese Zahlarten benutzt, bei gerade einmal 18 %.
Probleme der neuen Mehrwertsteuererhöhung
Zunächst ausgenommen von der Mehrwertsteueranhebung der japanischen Regierung auf 10 %, sind u.a. Lebensmittel. Als Grund hierfür wird die niedrige Kaufkraft von gering verdienenden Haushalten aufgeführt.
Die historisch erstmalige Aufteilung der Verbrauchssteuer in Kategorien mit verschiedenen Prozentsätzen bereitet vielen Geschäften jedoch Probleme, da sie neue IT-Lösungen für dieses zweistufige Verfahren in Auftrag geben müssen. Es wird daher seitens der Geschäfte auf zusätzliche Subventionen des Staates gehofft, um diesen Mehraufwand bewältigen zu können.
Trotz der negativen Seiten der Mehrwertsteuererhöhung und den Befürchtungen, diese würde eine erneute Rezession auslösen, sieht der Zentralbankchef Kuroda Haruhiko die Änderung gelassen: Da Nahrungsmittel zunächst ausgenommen sind und die Anhebung der Steuer geringer ausfällt als die vorige, geht er davon aus, dass die Auswirkungen der Steueranhebung höchstens ein Drittel ihres Umfangs von 2014 erreichen.
Nimmt man jedoch die geschätzten Kosten der bisher vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen und Subventionen zur Dämpfung des Kaufkraftsverlusts in Höhe von etwa 6 Trill. Yen pro Jahr und verrechnet diese mit den erwarteten zusätzlichen Einnahmen der zweiprozentigen Verbrauchssteuerhöhung von 5 Trill. Yen pro Jahr, stellt man schnell fest, dass eine Anhebung der Steuer unter den derzeitigen Überlegungen in der Realität wohl kaum jemanden glücklich machen würde.
Infos zu bargeldloser Bezahlung:
Die mittlerweile von vielen Regierungen propagierte bargeldlose Bezahlung ist umstritten: Advokaten sehen die Vorteile in der Einfachheit der Bedienung solcher Systeme sowie in der Geschwindigkeit der Transaktionen. Auch soll Geld nun nicht mehr so einfach gestohlen werden können, wenn es nur noch Digital existiert. Eben dieses Argument wird jedoch von den Gegnern einer bargeldlosen Welt verdreht: Digitale Geldsysteme müssen gegen Hackerangriffe gesichert sein. Dies ist in der Realität jedoch nur schwer umzusetzen und sollte solch ein Übergriff erfolgen, kann oftmals ein beliebiger Betrag illegal abgebucht werden. Weiterhin kann beim bargeldlosen Zahlen jede Transaktion zurückverfolgt werden. Sind diese Daten nicht ausreichend verschlüsselt und damit einsehbar für Dritte, kann man sich unfreiwillig erpressbar machen oder einer Manipulation hingeben.
Letztlich führt eine weitverbreitete bargeldlose Zahlung auch zu einer bargeldlosen Gesellschaft. Welche Auswirkungen dies haben kann, erkläutert Ökonom Hans-Werner Sinn in diesem Video:
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