Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Tokyo 2020: Rückblick und Skandale der Olympischen Spiele

Matthias Reich
Matthias Reich

Die Olympischen Spiele sollten ein Fest werden – und ein neuerlicher Beweis für "omotenashi", die japanische Gastfreundschaft. Doch niemand hätte gedacht, was wirklich daraus werden würde: um ein Jahr verschobene Wettkämpfe, ohne Zuschauer, und garniert mit zahlreichen Skandalen. Ein Rückblick.

Akrobatikflieger
Die Akrobatikflieger der japanischen Luftwaffe, "Blue Impulse", zeigen ihr Können zum Auftakt der Olympischen Spiele in Tōkyō - die Reise dahin war allerdings skandalgerüttelt.

Die Freude war groß, als Tōkyō im Jahr 2013 zum Austragungsort der Olympischen Sommerspiele gewählt wurde. Sieben Jahre Vorfreude und sieben Jahre Zeit, um sich auf das Weltklasse-Event vorzubereiten. Auf dem Weg zu den Spielen gab es jedoch mehrere Hürden und Skandale, und die wurden letztendlich immer größer und höher:

  • 2015 wurde beschlossen, das neue Nationalstadion nun doch nicht von der Stararchitektin Zaha Hadid bauen zu lassen. Der Hauptgrund für die Entscheidung war die drohende Kostenexplosion (geschätzt wurden die Kosten auf ca. 1,5 Milliarden Euro), aber viele konnten sich auch nicht mit dem futuristischen Design anfreunden.
  • Im gleichen Jahr musste man das schon beschlossene Logo der Olympischen Spiele umändern – Plagiatsvorwürfe waren nicht von der Hand zu weisen. Der japanische Designer Sano Kenjirō hatte angeblich das Logo des belgischen Theaters Théâtre de Liège abgewandelt, und bei weiteren Recherchen wurde festgestellt, dass viele andere Designentwürfe von Sano “geborgte” Elemente enthielten.
  • Im Januar 2019 wurde bekannt, dass französische Finanzbehörden gegen den ehemaligen Präsidenten des Japanischen Olympischen Kommitees, Takeda Tsunekazu, wegen Korruptionsvorwürfen ermittelten – angeblich wurden Stimmen afrikanischer Staaten gekauft, um für Tōkyō als Austragungsort zu stimmen. Takeda musste schließlich 2019 aufgrund der Vorwürfe seinen Posten räumen.
  • Nur einen Monat später, im März 2021 musste der Kreativdirektor der Eröffnungs- und Abschlusszeremonien, Sasaki Hiroshi, einpacken. Es tauchten Nachrichten auf, in denen er im Jahr zuvor vorschlug, die korpulente japanische Entertainerin und Schauspielerin Watanabe Naomi als sogenanntes “OlymPIG” während der Eröffnungszeremonie auftreten zu lassen.
  • Einen Tag vor der Eröffnungszeremonie, am 22. Juli 2021, wird der Nachfolger Sasakis, Kobayashi Kentarō (Mitglied des berühmten Comedy-Duos “Rahmens”), geschasst – es wurde bekannt, dass der Schauspieler und Comedian sich 1998 in einem Sketch über den Holocaust lustig gemacht hatte.
  • Oyamada Keigo, auch bekannt unter dem Namen Cornelius, wurde ebenfalls kurz vor der Eröffnungsfeier entlassen. Der Musiker war für die Komposition der Eröffnung zuständig, doch kurz nach dessen Bekanntgabe im Juli 2021 wurden Stimmen in sozialen Medien laut, die ihn für ungeeignet hielten. Es sei gemeinhin bekannt, dass er während seiner Schulzeit vor allem Menschen mit Behinderung extrem gemobbt oder sogar gefoltert habe. Oyamada selbst soll dies in mehreren Interviews thematisiert und damit geprahlt haben.

Starke Kritik aus der Bevölkerung

Die Olympischen Spiele wurden immer unpopulärer in der Bevölkerung. Auch wenn Japan bis dahin, im Vergleich zu vielen westlichen Nationen zumindest, relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen war, stieß die Vorstellung, plötzlich rund 100.000 Menschen aus aller Welt ins Land zu lassen, auf wenig Gegenliebe. So mussten Kompromisse geschlossen werden: Erst wurden ausländische Besucher von den Spielen ausgeschlossen, danach auch einheimische.

Und schließlich fanden die Olympischen Sommerspiele 2020, ausgerichtet im Jahr 2021, nun doch statt, vor leeren Zuschauerrängen. Natsuno Takeshi, Präsident des japanischen Medienunternehmens Kadokawa Corp., sprach aus, was sicherlich viele Beteiligte dachten: “Wenn japanische Athleten anfangen Goldmedaillen zu gewinnen, wird sich die Stimmung drehen.”

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Medaillenregen als Ablenkung

Und so kam es dann tatsächlich auch: Den Olympischen Spielen konnte man sich in Japan, zumindest als Zeitungsleser*in und/oder Besitzer*in eines Fernsehgerätes, für die kommenden zwei Wochen kaum entziehen, denn alle Medien berichteten fast nur noch über sie. Das japanische Olympiateam gewann so viele Medaillen wie nie zuvor und landete sogar auf Rang 3 der Nationenwertungen. Schon am Tag der Eröffnung war eine gewisse Begeisterung zu spüren, als die Akrobatikflieger der Luftwaffe, die “Blue Impulse”, bunten Rauch ausstoßend über die Hauptstadt flogen. Viele tausend Menschen verfolgten das Spektakel vom Boden aus.

Anstieg der Infektionszahlen – allerdings nicht wegen der Spiele

Die mögliche Gefahr eines sprunghaften Anstiegs der Coronainfektionen durch die Ausrichtung der Spiele geriet aufgrund des Medaillenregens in den Hintergrund – erst recht, weil die Infektionszahlen ohnehin schon stetig anzogen. Berichte von Olympioniken, die unerlaubt das Olympische Dorf verließen und die Stadt erkundeten, machten zwar Schlagzeilen, aber sie blieben eher eine Ausnahme. Letztendlich muss dazu erwähnt werden, dass die Corona-Fälle zwar in der Tat stark angestiegen sind – weniger jedoch wegen der Sportler*innen und deren Gefolge, sondern mehr wegen der Menschen, die sich trotz aller Warnungen zusammenfanden, um die Spiele gemeinsam zu verfolgen oder die sich gar dicht um die Sportstätten oder Routen drängten, um einen Blick auf die Wettkämpfe zu erhaschen. Nicht zu vernachlässigen war auch der psychologische Effekt: “Wenn man die Spiele nun doch ausrichtet, kann die Ansteckungsgefahr ja nicht so groß sein”.

Ende gut, alles gut?

Mehrere Umfragen, zum Beispiel seitens der Zeitungen Yomiuri Shinbun und Asahi Shinbun, signalisierten nach Ende der Wettkämpfe, dass fast zwei Drittel ihren Frieden mit den Spielen gemacht hatten und “froh waren, dass sie letztendlich doch stattfanden”. Und so lässt sich abschließend sagen, dass Olympia trotz aller Skandale für ein wenig Abwechslung sorgte. Die Sommerspiele haben dabei auch große Gewinner hervorgebracht: Große Erfolge japanischer Athlet*innen zum Beispiel beim Judo, Tischtennis, aber auch bei neuen Sportarten wie Skateboarding, sorgten umgehend für ein stark gestiegenes Interesse am Sport.

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