Kaiser Akihito (84) deutete aufgrund gesundheitlicher Beschwerden bereits seit längerer Zeit darauf hin, von seinem Amt zurücktreten zu wollen, was er im Dezember 2017 offiziell verkündete. Das erste Mal seit 200 Jahren wird ein Tennō sein Amt auf eigenen Wunsch frühzeitig niederlegen. Sein letzter Amtstag wird der 30. April 2019, wenn er zugunsten seines ältesten Sohnes Kronprinz Naruhito (58) den Chrysanthementhron räumt und offiziell das Zepter übergibt. Am Hof in Tōkyō laufen die zeremoniellen Vorbereitungen für den geschichtsträchtigen Machtwechsel zum 1. Mai bereits auf Hochtouren. Zuvor soll jedoch Akihitos 30. Thronjubiläum am 24. Februar als großes Staatsereignis zelebriert werden. Dann erst und nicht früher soll auch der Name der neuen Ära bekanntgegeben werden, was der japanischen Bevölkerung schon jetzt Kopfzerbrechen bereitet und das Land vor unerwartete technische Probleme stellt. Doch was hat es eigentlich mit dem Namen der Ära (gengō) auf sich?
Im hierzulande üblichen gregorianischen Kalender schreiben wir das Jahr 2018. In der japanischen Zeitrechnung befinden wir uns allerdings im 30. Jahr der Heisei-Ära. Zwar wurde der japanische Kalender schon 1873 dem gregorianischen Vorbild angepasst, doch die traditionelle Zeitrechnung bleibt weiterhin bestehen. Diese ist nämlich an den aktuell herrschenden Kaiser und seine Epoche gekoppelt und beginnt jeweils mit der Thronbesteigung. So markierte Akihitos Krönung im Januar 1989 den Beginn der Heisei-Epoche und das Ende der Shōwa-Zeit. Heisei bedeutet „Frieden überall“ und bezeichnet Akihitos Leitspruch für die Zeit seiner Regentschaft. Da diese nun zu Ende geht, wird mit der Krönung Naruhitos eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Das Problem ist jedoch, dass der neue Name erst am Tag der Thronübernahme verkündet wird und gravierende Folgen im Technologiesektor mit sich bringen könnte.
Das Ende einer Ära: technischer Super-GAU?
Die Gründe für diese Panik sind in einer einfachen Tatsache begründet: Akihito hatte den Thron für den Großteil des Informationszeitalters inne, sodass die meisten Computersysteme und großen technologischen Entwicklungen in den Jahrzehnten der Heisei-Zeit gereift sind und bislang noch nie von einem Wechsel der Zeitrechnung betroffen waren. Momentan besteht an erster Stelle die Ungewissheit, ob viele Systeme im Angesicht der Kalenderumstellung noch weiterhin funktionieren oder ausfallen werden. Experten befürchten, dass mit Akihitos Abdankung und dem Beginn der neuen Ära die Computer im Land abstürzen könnten. Ist eine reibungslose Änderung des Datums möglich und was wird mit den letzten aktiven Kernreaktoren in Japan passieren? All dies sind Fragen, von denen das japanische Volk derzeit geplagt wird.
Bereits vor der Jahrtausendwende standen Fachmänner weltweit vor demselben Problem: Y2K wurde das Phänomen genannt, das den kalendarischen Umzug ins Millennium und die allgegenwärtige Angst technischer Spezialisten bezeichnete, dass Computersysteme im Angesicht des tausendjährlichen Wechsels versagen könnten. Der Unterschied war jedoch, dass damals sowohl Regierungen als auch Softwareanbieter mehrere Jahre im Voraus an einer Lösung für bevorstehende Probleme und an Aktualisierungen sämtlicher Systeme arbeiten konnten. Trotz der langfristigen Vorbereitung kam es bereits 2000 zu organisatorischen Störungen. Experten warnen Entwickler vor ähnlichen Problemen beim vergleichsweise plötzlichen Wechsel der Äradevisen. Der britischen Zeitung „The Guardian“ erklärte Shawn Steele von Microsoft, dass Algorithmen fehlerhaft sein könnten, wenn sie missachten, dass es zwei japanische Zeitrechnungen innerhalb eines gregorianischen Jahres geben kann oder dass Software abstürzen könnte, wenn sie Daten versucht zu parsen, die es niemals geben wird, wie etwa Heisei 40, was nach der Kalenderumstellung das 10. Jahr der neuen, noch unbenannten Epoche und der Regentschaft Naruhitos sein wird. Ein seltenes Problem, so Steele, doch daher auch leider unerprobt. Die Zeit wird knapp, um bevorstehende Fehler zu identifizieren und zu beheben.
In Erwartung an eventuelle Probleme gab Microsoft bereits im April ein Softwareupdate heraus, das Entwicklern erlaubt, Tests bezüglich der möglichen Folgen des Thron- und Zeitwechsels durchzuführen.
Kein Smiley-Face bei Unicode
Ein weiteres schwerwiegendes Problem erwartet das Unicode-Konsortium, das den internationalen Unicode-Standard entwickelt und unter anderem auch für die weltweite Herausgabe neuer Emojis verantwortlich ist. Im Unicode wird das Schriftzeichen für die Heisei-Ära von 平成 auf ein einzelnes Schriftzeichen ㍻ abgekürzt, weshalb das Gremium nun einen neuen Standard für die neue Epoche festlegen muss. Da der Name allerdings noch nicht bekannt ist, bis Ende Februar auch noch nicht verkündet wird und Version 12 von Unicode Anfang März rauskommen soll, gehen Entwickler von einer 12.1 Version aus, die das neue Schriftzeichen einbeziehen sollte. Auch Hersteller von Tagebüchern und Kalendern sind beunruhigt, da sie ihre Produkte für das kommende Jahr nicht planen können.
Zwar nicht mit dem kaiserlichen Wechsel verknüpft, doch ein ebenfalls bevorstehendes Problem stellen ältere Computer dar, die es schon vor dem Ende der Shōwa-Zeit 1989 gab. Die meisten dieser frühen Modelle wurden niemals auf die neue Heisei-Zeit aktualisiert, weshalb sie sich noch immer in der Shōwa-Ära, nämlich im Jahr 93 befinden. 2025, wenn wir in der Theorie Shōwa 100 erreichen würden, erwarten Experten eine kleine technische Krise, da die Systeme nicht für dreistellige Jahresangaben konzipiert wurden.
Angesichts der aktuelleren Situation sind Behörden jedoch deutlich entspannter. Die nationale Steuerbehörde überlegt tatsächlich, die Heisei-Zeitrechnung einfach weiterzuführen, da Verwirrungen und Fehler im Steuerwesen nicht zu verantworten seien.
Naruhitos Zeit rückt näher…bislang namenlos
Fest steht jedoch, dass der romanisierte Name der neuen kaiserlichen Epoche höchstwahrscheinlich nicht mit den Anfangsbuchstaben von einer der letzten vier Epochen beginnen wird. Da die Ära oft mit dem Anfangsbuchstaben abgekürzt wird, könnten demnach die Buchstaben M, T, S oder H (die jeweils für die Meiji-, Taishō-, Shōwa- und Heisei-Zeitrechnung stehen) für Verwechslung sorgen und wurden aus der Diskussion ausgeschlossen. Die Zeit vor der Meiji-Ära trug den Namen Keiō, doch da seit dem Beginn der Meiji-Zeit mehr als ein Jahrhundert vergangen ist und niemand mehr am Leben ist, der in der Keiō-Zeit geboren wurde, kommt der Buchstabe K durchaus in Frage, so eine Quelle der Regierung.
Der neue Name hat große Wichtigkeit für das japanische Volk, da es sich hierbei nicht um eine bloße Förmlichkeit handelt, sondern er tatsächlich in Kalendern, Zeitungen und auf offiziellen Dokumenten agiert. Die Tradition des gengō umfasst eine über 1.300 Jahre alte Geschichte. Bis zur Meiji-Zeit wurden Epochennamen häufig auch zu feierlichen Anlässen oder nach der Überwindung von schweren Naturkatastrophen geändert, heute nutzt man ihn explizit zur Kennzeichnung einer kaiserlichen Regierungszeit. Welche Bezeichnung es für Naruhitos Herrschaft wird und wie viele der prognostizierten behördlichen, wirtschaftlichen und technischen Horror-Szenarien tatsächlich eintreten werden, kann man nicht wissen. Fürs Erste heißt es warten und sich von einer bedeutungsvollen Heisei-Ära verabschieden.
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