Es gibt gewisse Dinge, bei denen sich Japan schlichtweg kompromisslos zeigt, während der Rest der Welt sich weiterdreht. Das ist etwa bei der Haltung gegenüber Drogen der Fall, aber auch bei Tattoos. Bei Drogen zum Beispiel wird nicht (oder besser gesagt: irgendwie nicht) nach weichen und harten Drogen unterschieden. Ob Marihuana oder Heroin – alles gilt als gleich schlimm. “Irgendwie” deshalb, weil man in Japan Tabak und Alkohol nicht zu den weichen Drogen zählt, beziehungsweise hat sich dieser Gedanke noch nicht durchgesetzt. Bei Tattoos ist es ähnlich: Ob Schmetterling oder Tribal, oder ein prachtvolles, farbiges Ganzkörpertattoo – Tattooträgern wird eine gewisse Gefährlichkeit zugesprochen, und den Anblick von Tattooträgern möchte man den anderen Kunden, soweit möglich, ersparen.
Das Verbot von Tattoos in heißen Quellen zum Beispiel hatte dabei durchaus einen ernsthaften Hintergrund: Früher gab es weitaus weniger ausländische Besucher in Japan, und Tattoos waren damals auch in Europa oder den USA nicht so weit verbreitet wie heute. Und in Japan schon gar nicht – das Stechen der meist farbenfrohen Motive war der Subkultur der Yakuza vorbehalten, und die wollte und will man als Kundschaft nicht gern haben, denn Yakuza sind für ihre rauen Umgangsformen bekannt-berüchtigt.
Die Zahl japanischer Tattooträger hat allerdings in den letzten Jahren zugenommen, wenngleich man das auch relativ sehen muss. Bei einer kleinen Umfrage von insgesamt 2.177 Japanern gaben lediglich 2 % an, ein Tattoo zu haben – interessanterweise war mehr als die Hälfte der Tattooträger zwischen 30 und 40 Jahre alt. Mehr als die Hälfte dieser Tattooträger gab außerdem an, dagegen zu sein, wenn sich die eigenen Kinder ein Tattoo stechen wollen würden.
Zum Vergleich: In Deutschland hatten bei einer Umfrage 28 % der 25- bis 34-jährigen ein Tattoo. Selbst diese 2 % Prozent sieht man kaum – die Tattoos werden abgedeckt oder sind von vornherein so versteckt, dass man sie höchstens mal am Strand sieht. Ein Geschäftstreffen, oder gar ein Vorstellungsgespräch mit einem offensichtlichen Tattoo? Kaum vorstellbar in Japan, es sei denn, man arbeitet bei besagten Yakuza.
Bei einer Umfrage unter Hotels und anderen Herbergen in ganz Japan durch die Tourismusbehörde, erhoben 2015, gaben 56 % der Einrichtungen an, in den unterkunftseigenen Bädern (meist heißen Quellen) Tattooträger nicht zuzulassen – lediglich 31 % gab an, Tattoos zu erlauben. Die verbliebenen Einrichtungen erlauben zwar Tattoos, verlangen aber, das selbige abgeklebt werden.
Als Hauptgrund wurden hygienische Gründe angegeben – eine interessante und sehr geläufige Ausrede, wohlgemerkt, beziehungsweise ein noch immer geläufiges Vorurteil. Doch viele der befragten Einrichtungen, die bisher Tattooträger ablehnen, werden sich wohl im Zuge der kommenden Rugby-WM und erst recht zu den Olympischen Spielen 2020 zu einem Umdenken gezwungen sehen: Der Ansturm der Tätowierten wird so groß wie nie zuvor sein, und bei vielen wird letztendlich das Geschäft vorgehen. Denkbar ist allerdings auch, dass man das Verbot nur begrenzt aufhebt und danach zur Tagesordnung zurückkehrt.
Es gibt jedoch, nicht nur auf dem Land, sondern durchaus auch in Tōkyō zum Beispiel, durchaus genügend sentō 銭湯 , öffentliche Bäder (die quasi wie ein Onsen, eine heiße Quelle, funktionieren), in denen Tattoos eben kein Problem sind, und mit etwas Glück kann man dort auch prachtvolle Yakuza-Tattoos entdecken. Und da darf man auch ruhig etwas draufschauen, denn die Träger sind meist sehr stolz auf ihre farbenfrohen und symbolträchtigen Motive.
Lesen Sie hier das Interview mit Tattoo-Künstler Ichi Hatano:
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