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Traum und Albtraum im Kaki-Land: Probleme der japanischen Kaki-Bauern

Alena Eckelmann
Alena Eckelmann

Im Herbst hat die Kaki-Frucht in Japan Saison: Besonders die Präfektur Wakayama ist bekannt für den Anbau dieser orange-gelben "Götterfrucht". Doch die lokalen Bauern kämpfen zugleich mit den Folgen von Arbeitskräftemangel, Klimawandel und Überalterung.

Kaki
Im Kushigaki-Dorf werden Kaki meist noch sonnengetrocknet. © Alena Eckelmann

In den letzten Monaten des Jahres sind die Kaki-Bauern Japans sehr beschäftigt. Es ist Hochsaison auf den Obstplantagen in der Gegend um Katsuragi und Kudoyama in der Präfektur Wakayama, eines der Hauptanbaugebiete der Kaki in Japan. Die Obstbauern, ihre Familien und Helfer sind jetzt von früh bis spät auf den Beinen, denn die farbenfrohen orangenen Früchte wollen vor Einbruch des Winters gepflückt und verarbeitet werden.

Neben den traditionellen Methoden der Haltbarmachung, wie das Trocknen in der Sonne und das Einlegen, wird jetzt auch auf moderne Technik und neue Methoden gesetzt. Auch im Marketing haben die Bauern so einiges zu bieten. 

Einzug der Moderne in Kushigaki

Im „Kushigaki-Dorf“ im Katsuragi-Gebirge haben sich die Bauern seit Generationen auf den Anbau von der Kaki-Sorte Shibu-Gaki spezialisiert. Traditionell werden die Früchte geschält und zum Trocknen in die Sonne gehängt. Das ist eine mühsame Arbeit, denn das Schälen, oder Kawa-muki, wurde bis vor 50 Jahren noch per Hand erledigt.

Ein pfiffiger Bauer hat dann die „Schälbox“ erfunden. Das ist eine schachtelartige mechanische Vorrichtung, die das Schälen von Kaki um einiges beschleunigt. Später wurde der Schälvorgang mittels einer Schälmaschine automatisiert. Jetzt wird auch anstelle von Sonnenschein eine Trockenmaschine verwendet, was wiederum den Produktionsablauf hygienischer machen soll.

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Wir trafen eine 80-jährige Bäuerin, die seit ihrem dritten Lebensjahr Kaki schält. Sie verwendet auch heute noch die Schälbox. In jungen Jahren hat sie mit dieser Vorrichtung pro Tag 1.000 Kaki-Früchte schälen können. Sie berichtete, dass sie damals von 6 Uhr bis 22 Uhr gearbeitet hat. Diese langen Arbeitstage werden von der jüngeren Generation heute nicht mehr hingenommen und die Schälmaschine ist auch schneller als jede noch so trainierte Menschenhand. Daher bietet die Bäuerin jetzt ihre Expertise in Sachen Kaki-Schälen an Touristen an. Das Geld der Besucher aus den Städten, oft Familien mit Kindern, sind ein willkommenes Zusatzeinkommen zu ihrer kleinen Rente.  

Diese Bäuerin ist mit ihrer Schälbox eine wahrer Schälmeisterin. © Alena Eckelmann
Bei einer anderen Bauernfamilie wird eine Maschine zum Schälen verwendet. © Alena Eckelmann

Die „betrunkenen Kaki“ von Kinokawa

Mit dem Einzug von Kühlschränken und Plastiktüten in die Haushalte der Obstbauern bot sich die Möglichkeit, die bitteren Shibu-Gaki auf  noch schnellere Weise reifen zu lassen und zu versüßen. Anstatt die Früchte zu schälen und in der Sonne zu trocknen, werden sie in Alkohol getränkt. Zuerst werden viele kleine Löcher in die ungeschälten Früchte gepiekst, die dann in eine Plastiktüte gesteckt und mit Shōchū (japanischer Sake) begossen für einige Tage in den Kühlschrank gelegt werden. Der Alkohol durchdringt das Fruchtfleisch und beschleunigt den Reifeprozess. So werden die ansonsten bitter-trockenen und damit ungenießbaren Shibu-Gaki schneller weich und süß.

Im Kinokawa-Anbaugebiet wird diese Alkoholmethode jedoch auf die Spitze getrieben, denn hier werden die Shibu-Gaki in Alkohol getränkt, während sie noch am Baum hängen! Die Früchte haben daher den Spitznamen „betrunkene Kaki“ bekommen. Ein mit Alkohol befüllter Beutel wird für 20 Stunden um die Früchte am Baum gebunden. Dann wird der Alkoholbeutel entfernt, die Früchte bleiben jedoch mit einem Vinylbeutel bedeckt, bis sie reif sind und geerntet werden können.

Da das alles viel Aufwand kostet, ist das Produktionsvolumen der Kinokawa-Kaki klein. Aufgrund ihrer Seltenheit erzielen diese Früchte einen hohen Preis, aber sie sind noch lange nicht die meistverkauften Kaki in Japan. Denn an der Spitze der Kaki-Qualitäts- und Preisklasse steht die “Yume”.

Kaki
Eine Kinokawa-Kaki, die in Alkohol getränkt wurde, hat ein dunkleres Fruchtfleisch. © Alena Eckelmann

Ein Kaki-Traum

Eine Gruppe von 20 Kaki-Bauern im Kudoyama-Gebiet wollte mehr erreichen, als nur Kaki anzubauen und zu verkaufen. Jeder Bauer hatte bis dahin für sich selbst gekämpft, um besonders leckere und süße Kaki zu produzieren. Die Früchte wurden unter besonderer Sorgfalt in kleinen Mengen hergestellt und zu einem höheren Preis verkauft.

Die Gruppenmitglieder waren sich einig, dass ein Standard für die von ihnen hergestellten hochwertigen Früchte festlegt werden müsse. Eine Messmethode war notwendig, um die Qualität zu überprüfen. So kamen sie auf die pfiffige Idee einen Sensor zu entwickeln, der die Süße der Kaki-Früchte feststellen und die Reife anhand ihrer Farbe beurteilen kann.

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Herr Nakatani Yuichi ist einer von ihnen. Die Kaki-Farm übernahm er von seinem Vater, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Kaki-Bäume angepflanzt hatte. Herr Nakatani versucht, das Geschäft am Laufen zu halten und hat daher die Führung der Gruppe von Kaki-Bauern übernommen. Um ihre „High-end“ Früchte besser zu vermarkten, überlegten sich die Bauern einen Markennamen und entschieden sich für Yume, das japanische Wort für „Traum“. Denn schließlich war es der Traum der Bauern, mit diesen Luxus-Kaki viel Geld zu verdienen.

Yume-Kaki
Die Yume-Früchte werden wohl behütet. © Alena Eckelmann

Es gibt jedes Jahr nur 6.000 Kaki-Kandidaten, die es in die Yume-Kategorie schaffen. Wie die Wagyū-Kühe in Japan bekommen die auserkorenen Früchte eine besondere Behandlung. Ab Mitte August werden sie mit belüftbaren Papiertüten umhüllt, die die Früchte vor Hitze, Regen und Insekten schützen und sie schonend reifen lassen. Vor einigen Jahren brachten gerade einmal fünf oder sechs Yume-Früchte unglaubliche 30.000 Yen (ca. 230 €) ein. In den letzten Jahren wurde der Preis jedoch auf 10.000 Yen (ca. 80 €) gesenkt, was für ein paar Früchte immer noch ein stolzer Preis ist.

Wenn der Traum zu platzen droht

Herr Nakatani und die anderen Yume-Bauern machen sich große Sorgen, wie sie ihren „Traum“ in Zukunft fortsetzen können, denn es gibt kaum junge Leute auf den Obstplantagen. Der „Yume-Verein“ hat derzeit 32 Mitglieder, aber nur zwei von ihnen zählen als „jung“, nämlich Mitte 30 beziehungsweise Mitte 40. Dagegen sind die meisten anderen Vereinsmitglieder Mitte 70 und der Vorsitzende, Herr Nakatani, ist sogar über 80 Jahre alt.

Auch die alte Bäuerin im „Kushigaki-Dorf“ beklagt den Mangel an jungen Leuten, die so dringend auf den Kaki-Plantagen als Helfer gebraucht würden. In den 1960er Jahren haben in der Gegend noch 450 Familien Kaki angebaut. Jetzt sind es nur 100 Familien und viele Kaki-Bauern sind bereits im fortgeschrittenen Alter. Sie erzählt scherzend, dass früher die Kaki als Fruchtbarkeitsymbol angesehen wurden. Durchschnittlich hatte eine Kaki-Frucht acht Kerne, was mit acht Kindern gleichgesetzt wurde. Der Kaki-Kindersegen scheint mit der Entwicklung von kernlosen Kaki verloren gegangen zu sein.

Kaki
Brandflecken auf den Kaki-Früchten und auch auf den Blättern machen den Bauern Sorgen. © Alena Eckelmann

Sorge um den Planeten

Nakatani und die anderen Bauern sind sich auch der Umweltprobleme und den realen Folgen der globalen Erderwärmung bewusst und dass diese den Anbau von Kaki negativ beeinflussen. Die Bauern beobachten ihre Obstbäume und die Kaki ganz genau und haben in den letzten Jahren Veränderungen bemerkt, wie schwarze Flecken auf den Früchten. Das sind Brandflecken, meint Nakatani, denn für Kaki wird das Klima langsam zu heiß.

Er macht sich große Sorgen um die Zukunft der Kaki-Bauern in der Region, denn er glaubt, dass Kaki-Plantagen nach und nach an kühlere Orte in Japan verlagert werden müssen.

Er wünscht sich von den Regierungen auf der ganzen Welt, dass sie Bauern, Fischer und Förster besser schützen und unterstützen, damit diese auch in der Zukunft Nahrungsmittel für alle Menschen herstellen können.

Herr Nakatani ist trotz seines hohen Alters ein wahrer Geschäftsmann und Umweltaktivist. © Alena Eckelmann

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