Seit Jahren fiebert Japan den Olympischen Sommerspielen entgegen, und man nähert sich unweigerlich der “heißen Phase” der Vorbereitungen – auf Seiten der Zuschauer wie auch der Organisatoren natürlich. Ab dem 9. Mai dieses Jahres wurde es dann auch richtig interessant für den Durchschnittsbürger, denn an dem Tag begann die erste Runde der Ticketverlosung. Und das geht so: Zuerst muss man sich bei einem Portal anmelden und sich eine sogenannte Tokyo 2020 ID ausstellen lassen. Der Sinn und Zweck der selbigen ist dabei noch nicht völlig klar – Informationen darüber zum Beispiel, ob die Eintrittskarten ID-gebunden sein werden, sind nicht ohne weiteres ersichtlich. Fest steht jedoch, dass die erste Auslosung nur für Menschen mit Wohnsitz in Japan bestimmt ist, denn ohne japanische Adresse kommt man nicht weiter.
Wer nun eine solche ID sein Eigen nennt – alles geht sehr schnell und über das Internet – kann sich nun seit dem 9. Mai online für Tickets bewerben. Damit wurden nun auch erstmals die Preise bekannt, und sie reichen von 2.020 Yen (rund 16 Euro) bis 130.000 Yen (gut 1.000 Euro). Der günstigste Preis gilt zum Beispiel für die „billigsten“ Plätze in den Vorrundenausscheiden (mit etwas Glück kann man so das Beachvolleyballspiel zwischen Grönland und Saudi-Arabien sehen); der teuerste Preis gilt für die Highlights – zum Beispiel das Leichtathletikfinale.
Die Caption unter dem Post: “Was soll ich bloß machen, wenn ich alle [Tickets] gewinne? *lach*”
Die erste Verlosung läuft bis zum 28. Mai, die Ergebnisse werden am 20. Juni bekanntgegeben. Die Tickets müssen hernach bis zum 2. Juli bezahlt werden, sonst verfällt der Anspruch. Und obwohl immer wieder betont wird, dass es bei der Verlosung absolut egal ist, wann man sich innerhalb dieser Periode beworben hat, herrschte in den ersten Tagen natürlich ein großer Ansturm, der von den IT-Fachleuten intelligent gesteuert wurde, indem man die Interessierten warten lässt – nur eine bestimmte Anzahl darf gleichzeitig auf die Online-Plattform, und so entstanden Wartezeiten von über zwei Stunden. Man kann darauf wetten, dass es in den letzten Tagen vor dem 28. Mai ebenso zugegangen ist.
Der Ansturm bei der Ticket-Lotterie lässt das enorme Interesse der Japaner an den Spielen erahnen, und man darf gespannt sein, wie stark die verschiedenen Veranstaltungen überzeichnet sein werden. Gerade bei der Verlosung Tickets für die Eröffnungs- und Abschlussveranstaltungen, für die verschiedenen Finalrunden sowie für in Japan besonders beliebte Sportarten wie Volleyball oder Tischtennis zu ergattern, dürfte wirklich pures Losglück sein, und so wird in Japan heiß darüber diskutiert, bei welchen Sportarten man wohl die besten Chancen hat, bei der Lotterie wirklich etwas zu gewinnen. Natürlich wird hier bei der ersten Runde nur ein Teil des Ticketkontingents vergeben – ein gewisser Anteil wird später direkt verkauft, und ein bei Olympischen Spielen üblicher Prozentsatz von circa 20 % ist ohnehin für ausländische Besucher “reserviert”.
Doch es gibt nicht nur positive Nachrichten zu vermelden. Sowohl das Olympische Dorf als auch diverse Wettkampfstätten sind knapp ein Jahr vor den Spielen noch nicht fertiggestellt. Aufgrund des ganz realen Termindrucks muss man zumindest in Japan keine Sorge haben, dass etwas von der Infrastruktur nicht rechtzeitig fertig wird, doch der Druck wird massiv an die Baufirmen weitergegeben, die diesen natürlich an Subunternehmer und Arbeiter weitergeben. Ein globaler Gewerkschaftsbund für das Baugewerbe, BWI, veröffentlichte am 20. Mai 2019 den Bericht “The Dark Side of the Tokyo 2020 Summer Olympics” – dort werden unter anderem eklatante Sicherheitsmängel und unerträgliche Arbeitszeiten angeprangert, die bereits zu schweren Unfällen und Selbstmorden geführt haben. Der Bericht, obwohl aus dem Ausland stammend, hat dabei auch in den japanischen Medien größere Beachtung gefunden. Leider ist die Problematik jedoch für Japan alles andere als neu – ein fahrloser Umgang bei hohem Termindruck und unmenschliche Arbeitszeiten sind seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner.
Kommentare