Eigentlich ist alles ganz einfach – für Ausländer. Wenn man auf längere Zeit in Japan lebt, meldet man sich einfach an seinem Wohnsitz an und erhält einen Wohnnachweis, das jūminhyō, welches zum Abschließen von Verträgen, inklusive Mietverträgen, vonnöten ist. Zieht man um, meldet man sich einfach ab und am neuen Wohnsitz wieder an. Doch spätestens, wenn man einen japanischen Partner ehelicht, wird es deutlich komplizierter, denn dann kommt das koseki ins Spiel, eine Art Familienstammbuch.
Das Familienstammbuch enthält neben Namen, Geschlecht, Geburtsdatum- und Ort auch Angaben zu den Eltern, Kindern, (Ex-)Ehepartnern und sogar zur Erbsituation – wenn man zum Beispiel gedenkt, einen Nachfahren zu enterben. Alle Angaben werden von den jeweiligen Personen selbst gemacht; Falschangaben sind strafrechtlich belangbar.
Diskriminierung vorprogrammiert?
Bis 1947 waren die koseki problematisch – Randgruppen wie die burakumin wurden zum Beispiel als solche markiert, ebenso Japaner, die nicht in Japan, sondern in den Kolonien geboren wurden. Da mehrere Generationen aufgelistet wurden, blieb manch Eintrag als Makel im Dokument zurück und förderte die Diskriminierung solcher Menschen. Danach wurde das koseki auf zwei Generationen beschränkt, und Angaben zur Herkunft wurden gelöscht. Ein weiteres Problem mit dem Familienstammbuch bestand beziehungsweise besteht mit dem gelisteten Geschlecht: Seit 2003 können Menschen mit einer Geschlechtsdysphorie ihr angegebenes Geschlecht ändern, doch dazu müssen sie nachweisen, dass sie nicht (mehr) über die ursprünglichen primären Geschlechtsorgane verfügen. Außerdem dürfen nur Unverheiratete das Geschlecht ändern lassen – Hürden, die von der LGBTQ+ – Gemeinde auch heute noch als problematisch angesehen werden.
Unübersichtliches System
Die Obhut des Familienregisters unterliegt den jeweiligen Kommunen, und die meisten Japaner lassen das Familienregister dort, wo es schon immer war. Bei einer Untersuchung[1] fand man dementsprechend heraus, dass mehr als 3% der Befragten gar nicht wissen, wo sich ihr Familienregister befindet, und mehr als die Hälfte gab an, dass Wohnort und Ort des Familienregisters nicht übereinstimmen. Ursache dafür ist die noch immer anhaltende Landflucht – wenn junge Leute vom Land in die Stadt ziehen, lassen sie das Register im Heimatort. Das wird dann bei verschiedenen Prozeduren wie zum Beispiel bei Geburten, Hochzeiten, Todesfällen und dergleichen relevant, denn dann braucht man den Auszug des Familienregisters, und den kann man nur dort beantragen, wo das Familienregister liegt. Mit etwas Glück bietet die Gemeinde an, die Kopie online zu bestellen, aber ab da wird es analog – oftmals muss man dann einen Brief zum Heimatort schicken – mit Rückantwortumschlag und einer Gebühr, beizulegen in Form von Briefmarken.
Nicht mehr zeitgemäß
Der Eintrag im Familienregister hat noch eine weitere, sehr wichtige Bedeutung: Er dient als Grundlage der japanischen Staatsbürgerschaft und damit auch als Voraussetzung dafür, einen japanischen Pass ausgestellt zu bekommen. Logischerweise bedeutet dies, dass Ausländer nicht im Familienregister eingetragen werden – sie werden maximal als Ehepartner oder Elternteil vermerkt. Wer ein japanisches Familienregister haben möchte, muss sich “naturalisieren” lassen – sprich, die japanische Staatsbürgerschaft annehmen, und da eine doppelte Staatsbürgerschaft in Japan nicht erlaubt ist (allerdings wird sie auch nicht bestraft), müssen Ausländer ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft ablegen.
Das koseki tōhon, ein Auszug aus dem Familienregister, hatte als offizielles Dokument lange eine ähnliche Bedeutung wie in Deutschland der Personalausweis. Mit der Einführung der My Number, die alle für Staat und Behörden wichtigen Daten vereinigen soll, stellt sich nun zunehmend die Frage, ob man das veraltete koseki-tōhon-System beibehalten soll, da es durch die seit langem anhaltende hohe Mobilität der Japaner eigentlich obsolet ist und mehr Probleme bereitet als löst.
[1] Siehe hier: https://www.moj.go.jp/content/001222094.pdf
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