Diese Kolumne entsteht in einer Kooperation zwischen JAPANDIGEST und Doitsu News Digest. Sie handelt unter anderem von den persönlichen Erfahrungen der Autorinnen, die gesellschaftliche Phänomene und Strukturen aus deutscher und japanischer Perspektive ergründen.
Freundschaft zwischen Männern und Frauen – klappt in Japan wie in Deutschland
Eine Freundschaft zwischen Männern und Frauen birgt viele Mysterien – sowohl sozial als auch kulturell bedingt. In einer Sache sind sich die Autorinnen dieses Texts jedoch einig: Sowohl in Deutschland als auch Japan sind Freundschaften zwischen Männern und Frauen durchaus möglich.
Sina aus DeutschlandBis zu einem gewissen Alter machen wir uns keine Gedanken darüber, mit wem wir befreundet sind. Hauptsache, man mag sich und verbringt gerne Zeit miteinander. Während Kindergarten- und Schulzeiten sind Freundschaften zwischen Jungs und Mädels an der Tagesordnung. Aber nach der Pubertät wird alles etwas komplizierter und das Verhalten des Gegenüber genauestens auf Motive und Hintergedanken analysiert und Gedanken wie “Warum hat er jetzt das gemacht?” sind für Frauen keine Seltenheit – unabhängig der Beziehung zwischeneinander.
In welcher Form, und ob überhaupt Freundschaften zwischen den Geschlechtern möglich sind, wird heiß diskutiert – in den sozialen Medien, der Wissenschaft und natürlich auch privat. Aus ganz persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass Freundschaften mit Männern mein Leben sehrwohl bereichern – wenn auch anders als die mit Frauen.
Chihiro aus JapanAb wann beginnen Männer und Frauen, über das andere Geschlecht nachzudenken? Meine erste Liebe war im Kindergarten – ich war fünf Jahre alt und in einen Jungen aus der Nachbarschaft verliebt. Doch ab wann wandelt sich diese vage Zuneigung in das Gefühl, Händchen halten oder sich küssen zu wollen? In Deutschland wie Japan passiert dies wohl zwischen 10 und 12 Jahren, mit dem Einsetzen der Pubertät. In der Mittel- und Oberschule (etwa 13-18 Jahre) scheinen alle sehr empfindlich auf die romantische Dynamik zwischen Jungen und Mädchen zu reagieren. Während dieser Zeit geht es doch immer darum, wer gerade mit wem geht. Ich hatte das Gefühl, erst in der Uni wieder entspannen und offen darüber reden zu können.
Ist es also möglich, dass Männer und Frauen Freunde werden? Bei meiner Recherche bin ich auf einige in Japan zu dem Thema durchgeführte Umfragen gestoßen: Laut deren Ergebnissen ziehen 50-60% der Befragten eine Freundschaft zwischen den Geschlechtern in Betracht – wobei mehr Frauen als Männer zustimmten. Persönlich denke ich auch, das eine Freundschaft zwischen den Geschlechtern möglich ist. Vorausgesetzt natürlich, dass einige Bedingungen eingehalten werden.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Freundschaft: Unterschiedliche Prioriäten in Japan und Deutschland
In Japan, Deutschland und wohl allen Ländern der Welt, ist Sympathie füreinander die Grundvoraussetzung für Freundschaften. Doch ob eine Freundschaft – besonders zwischen Männern und Frauen – erfolgreich bestehen bleibt, dafür gibt es in Japan und Deutschland unterschiedliche Voraussetzungen, wie den Autorinnen dieses Texts klar wurde. Während in Deutschland die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse (zumindest aus weiblicher Perspektive) eine Priorität sind – Frau will ja auch nicht für ihre, sagen wir mal, Sensibilität ausgenutzt werden – benötigt eine Männer-Frauen-Freundschaft in Japan eine ganz andere Stärke, um sich neben Gruppenfreundschaften und romantischen Beziehungen durchzusetzen.
Sina aus DeutschlandWelche Frau hat es noch nicht erlebt, wenn der Partner wenig begeistert von einer Freundschaft mit einem anderen Typen ist. “Der will dich ‘eh nur rumkriegen”, heißt es dann. Das mag in manchen Fällen wohl stimmen, aber deshalb auf Freundschaften mit Männern ganz verzichten? Dabei können diese wunderbar unkompliziert sein.
Die Freundschaft mit einem Mann bedeutet direktere Kommunikation. Kein gewitzeltes, wenn auch ernst gemeintes “Du hast meinen Geburtstag vergessen, deshalb habe ich was gut bei dir.” Stattdessen kommt “Lange nicht gesehen, Mittwoch Abend Wein?” Die Freundschaft mit einem Mann bedeutet auch, einen Einblick in das männliche Gehirn zu erhaschen zu können. Die männliche Perspektive kann viel Frustration und verletzte Gefühle ersparen, vor allem, wenn es um Männerprobleme geht. Wo Frauen dazu tendieren, das Verhalten der Männer zu analysieren und oft zur eigenen Gunst zu interpretieren, sagt ein Mann schnell klipp und klar: “Der hat 100% noch andere am Start, vertrau mir!” – Sache erledigt.
Als mitfühlende und loyale Freundin ist auch Frau für ihren männlichen Freund wichtig. Eine US-amerikanische Studie bestätigt dies: Der Studie nach empfinden Männer eine Freundschaft mit Frauen befriedigender als eine mit Männern. Kein Wunder also, dass wohl auch jede Frau schonmal von einem männlichen Freund den Satz gehört hat “So wie mit dir kann ich mit meinen Kumpels einfach nicht reden!” So schön sich diese Aussage auf dem Papier liest, ist sie dennoch mit Vorsicht zu genießen, denn: Männer laden auch gerne mal ihren emotionalen Balast auf Gesprächspartnerinnen ab.
Chihiro aus JapanVor der Freundschaft steht natürlich das Einverständnis beider Seiten, eine Freundschaft einzugehen, ganz ohne Hintergedanken. Diese Voraussetzung ist unerlässlich. Oft passiert es, das ein Mann und eine Frau aus dem gleichen Freundeskreis zunächst in freundschaftlicher, familiärer Atmosphäre aufeinandertreffen. Dann treffen sie sich gelegentlich zu zweit, und werden ein Paar. So fangen viele Beziehungen in Japan an. Wenn beide romantische Gefühle füreinander empfinden ist dies natürlich kein Problem. Aber wenn diese Gefühle nur einseitig sind (oft von den Männern empfunden), wird es schwierig aus einem Gruppensetting heraus eine Freundschaft aufzubauen. In Japan wird üblicherweise bei Verabredungen zu zweit von einem Date ausgegangen.
Zwischen Friendzone und Affäre: Freundschafts-Tücken in Japan und Deutschland
Die teils turbulente Dynamik einer Männer-Frauen-Freundschaft zu navigieren, kann sich als schwieriger erweisen, als bei gleichgeschlechtlichen Freundschaften. In dieser Hinsicht fiel unseren Autorinnen sofort auf, dass dies wohl der größte Unterschied zwischen Japan und Deutschland ist: Die Probleme, die mit einer Männer-Frauen-Freundschaft auftauchen können. Während in Deutschland ungewollte Avancen unter dem Deckmantel der Freundschaft abgewehrt werden müssen, so kämpfen in Japan Freundschaften eher mit einer Missbilligung durch Außenstehende – etwa dann, wenn die Freundschaft als außereheliche Affäre interpretiert wird!
Sina aus DeutschlandWer sich denkt, “Die stecken doch alle in der Friendzone fest”, kann sich gleich wieder beruhigen: Die “Friendzone”, die oftmals als eine Art Hölle der netten und daher als weniger begehrenswert eingestuften Personen interpretiert wird, existiert nicht. Passender wäre der Name “Nicht-der/die-schon-wieder-Zone”! Denn wer erwartet, dass Nettsein romantische Gefühle als Art Gegenleistung rechtfertig, ist auf dem Holzweg. Viel schöner ist es doch, sich gegenseitig wertzuschätzen und zu wissen, was man aneinander hat und wie man einander unterstützen kann – unabhängig vom Geschlecht. Oder vielleicht genau deswegen?
Das ganze klappt natürlich nur, wenn beide Parteien sich darüber einig sind, “nur” eine Freundschaft zu führen, ist eh’ klar. Wenn einer von beiden mehr will, auch ungesagt, wird es schwierig. Darüber sollte sich Frau auch bewusst sein, wenn sie in Japan Freundschaften anstrebt, wo Verabredungen zwischen einem Mann und einer Frau in der Regel als Date interpretiert wird. Da hilft auch das aufgeklärteste “Aber er weiß doch, das wir nur Freunde sind” nicht dagegen, plötzlich vom besten Freund einen Abschiedskuss direkt auf die Lippen gedrückt zu bekommen.
Chihiro aus JapanSchwierig wird es, wenn eine/r in der Freundschaft in einer Beziehung steckt. Auch unter Freunden ist diese Dynamik verwirrend, klar. In den meisten Fällen gibt es wenig Möglichkeiten, selbst aktiv zu agieren, wenn man das dritte Rad am Wagen zwischenmenschlicher Beziehungen ist und daher gilt es, Zurückhaltung zu wahren. Wenn der/ die Partner/in damit einverstanden ist, kann man natürlich noch weiterhin gemeinsam Zeit verbringen, aber es sollte nicht zu viel sein. Es besteht außerdem die Gefahr, dass bei verheirateten Paaren die Freundschaft missverständlich als eine Affäre gedeutet wird. Es ist also hilfreich, Orte wo man auf enge Vertraute oder Arbeitskollegen treffen könnte, zu vermeiden. Denn in Japan kann bei Affären auch die Person außerhalb der Ehe wegen Schmerzensgeld belangt werden.
Es sei jedoch gesagt, dass eine Freundschaft mit jemandem, mit dem/der man gut reden kann und gemeinsame Interessen teilt, erstrebenswert ist – ganz unabhängig des Geschlechts. Das Mysterium der Freundschaft zwischen Männern und Frauen bleibt jedoch wohl weiterhin ein ungelöstes Rätsel.
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