Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Es lebe der Alkohol! Japanisches Steueramt will Jugend zu mehr Alkoholkonsum animieren

Matthias Reich
Matthias Reich

Dass man in Japan oft mit den entlegenen Galapagos-Inseln vergleicht, kommt nicht von ungefähr. In Wirtschaft und Politik geschehen Dinge, die so nur in Japan denkbar sind. Wie die jüngste Kampagne des Steueramts: Unternehmen sind aufgefordert, Strategien zu entwickeln, um die Jugend zu mehr Alkoholkonsum zu animieren.

Izakaya

Typisch Japan, könnte man meinen. Während sich die Regierungen zahlreicher westlicher Staaten darüber den Kopf zerbrechen, wie man den Alkoholkonsum der Jugend zügeln kann, geschieht in Japan genau das Gegenteil: Die Jugend – in Japan bedeutet das über 20-jährige – soll mehr trinken, und der Hintergrund ist durchaus ernst. Während es früher allein schon durch den Gruppenzwang fast unmöglich war, dem Alkohol zu entweichen, so entfernt sich die heutige Jugend offensichtlich immer mehr von Selbigem. Früher war es zum Beispiel an den Universitäten üblich, sich nach getaner Clubaktivität wie Tischtennis, Baseball und dergleichen innerhalb kürzester Zeit hemmungslos zu betrinken. Das war zum Teil so extrem, dass es auch Todesopfer gab. Nach der Universität ging es weiter – in den meisten Firmen war und ist es noch üblich, sich nach der Arbeit mit den Kollegen oder Geschäftspartnern noch schnell mal ein Glas zu genehmigen.

Ganz zur Freude des Fiskus: 1980 machte die Alkoholsteuer 5 % der gesamten Steuereinnahmen des Landes aus. In Deutschland sind es im Schnitt gerade Mal 0,3 %[1]. Der Anteil fiel jedoch auf nunmehr weniger als 2 % der Steuereinnahmen Japans. Im Vergleich zu Deutschland ist der Anteil noch immer sehr hoch. Das bedeutet jedoch nicht, dass Japaner:innen mehr trinken, sondern dass etwa die Mehrwertsteuer in Japan mit 10 % deutlich geringer ist (und die Alkoholsteuer spürbar teurer). Auf eine kleine Dose Bier werden in Japan 1 Euro und mehr Steuern erhoben, weshalb vor allem Bier in Japan selbst in Supermärkten ziemlich teuer ist.

Sorge im Steueramt wächst

Die Steuerbehörden haben die Entwicklung des Alkoholkonsums in Japan sowie die damit verbundene Steuerlage in einem langen Bericht zusammengefasst[2]. Demzufolge stieg die Anzahl der Erwachsenen, also der über 20-jährigen, von 82 Millionen im Jahr 1990 auf rund 105 Millionen im Jahr 2020 an – doch der durchschnittliche Alkoholkonsum fiel im gleichen Zeitraum von über 100 Liter pro Jahr und Kopf auf 75 Liter. Der Alkoholkonsum hätte eigentlich auch stark ansteigen müssen, aber das Gegenteil ist der Fall.

Die Ursachen dafür sind vielschichtig: Die Bevölkerung wird immer älter, und ältere Menschen trinken weniger. Unter jungen Menschen gibt es wiederum immer mehr, die den Alkoholkonsum als nicht zeitgemäß betrachten. In vielen Fällen ist es allerdings so, dass es heutzutage einfacher ist, sich dem kollektiven Besäufnis zu entziehen als noch vor 30 Jahren. Für die Alkoholindustrie kam es jedoch erst ab 2020 richtig dicke: Der Verbrauch durch Studierende sank aufgrund der Corona-Pandemie fast auf null, und auch sonst blieb er vor allem in der Gastronomie aus, da die meisten Kneipen entweder ganz oder sehr früh schließen mussten, und das Trinken in größeren Gruppen ebenfalls entfiel.

Kampagne für mehr Alkoholkonsum

Um die massiven Umsatzeinbrüche abzufedern und wieder mehr Steuergelder einzunehmen, ruft die Steuerbehörde nun also auf einer eigens dafür eingerichteten schicken Webseite[3] zum kollektiven Brainstorming auf, wie man die Jugend zu mehr Alkoholkonsum verlocken könnte. Dabei wäre die Antwort relativ einfach: Würde Japan sich wieder dem Fremdenverkehr öffnen, würden auf Anhieb Millionen trinkfreudiger Touristen ins Land kommen. Das würde vor allem den lokalen Sake-Brauereien guttun, denn die haben besonders mit dem Schwund zu kämpfen.


[1] https://de.statista.com/themen/383/steuereinnahmen/

[2] https://www.nta.go.jp/taxes/sake/shiori-gaikyo/shiori/2022/pdf/000.pdf

[3] https://sakebiba.jp/

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