Eigentlich freute man sich seit der Vergabe der Olympischen Sommerspiele an Tōkyō riesig auf die Großveranstaltung, doch aufgrund der Pandemie hat sich bekanntermaßen alles geändert. Erst mussten die Spiele um ein Jahr verschoben werden, dann wurden ausländische Besucher ausgeschlossen – und Anfang Juli auch japanische Besucher. Seit Monaten sind die Olympischen Spiele im Gastgeberland Japan so unpopulär wie nie zuvor, und es wird immer problematischer.
Angst vor der vierten Welle
Der Hauptgrund, warum die Mehrheit der japanischen Bevölkerung der Ausrichtung negativ gegenübersteht, ist die Angst vor einer neuen Corona-Welle. Der japanischen Zählung nach wäre dies bereits die vierte Welle. Quasi als Zugeständnis wurde deshalb bereits im Frühjahr beschlossen, keine ausländischen Besucher zuzulassen. Kommentare von IOC-Vertretern, die auf Anfrage bei einer Pressekonferenz lauteten, dass die Spiele auch im Falle eines erneuten Ausnahmezustands in Tōkyō (der Anfang Juli verhängt wurde) stattfänden, kamen nicht gut bei der Bevölkerung an. Der Eindruck entstand, dass Politiker und IOC die Olympischen Spiele ausrichten werden – egal um welchen Preis.
Infektionen unter eingereisten Olympia-Teilnehmern
In der Tat – bereits in den ersten Tagen, in denen nach und nach die Athleten in Japan eintrafen, wurden bereits mehr als 70 Corona-Infektionen bei Sportlern und Beteiligten festgestellt. Die erste Mannschaft verließ auch schon das Olympische Dorf mitten in Tōkyō – aus Angst vor dem Virus. Dabei hat sich die Lage in den vergangenen Wochen stark geändert, denn die Zahl der Neuinfektionen steigt in der Hauptstadt unaufhörlich an. Man ist zwar noch weit von Zahlen entfernt, wie man sie monatelang in europäischen oder amerikanischen Staaten gewohnt war, doch der Trend scheint momentan, trotz erneuten Ausnahmezustands, unaufhaltsam. Man könnte dazu bissig bemerken, dass es mittlerweile nicht die Hauptstädter sind, die vor den Angereisten Angst haben sollten, sondern eher umgekehrt.
Steigende Infektionszahlen in der Hauptstadt
Die Olympischen Spiele stellen alle Beteiligten vor eine harte Probe. Pressevertreter, Funktionäre und Sportler sind in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Die freiwilligen Helfer leben in Unsicherheit, da viele von ihnen noch nicht oder wenn, dann zu spät geimpft wurden. Der große Verlierer ist die Hotel- und Gastronomie-Branche – es wird geschätzt, dass allein rund eine Million Übernachtungen storniert wurden, da keinerlei Besucher mehr zugelassen sind.
Offiziell beginnen die Spiele am 23. Juli, doch die ersten Wettkämpfe fanden bereits am 21. Juli Ortszeit statt. Am selben Tag zählte Tōkyō erstmals seit einem halben Jahr wieder über 1.800 Neuinfektionen an einem einzigen Tag; dieser Anstieg wird vor allem auf die nun dominierende Delta-Variante zurückgeführt. Allerdings muss man dazu erwähnen, dass die Lage in den Krankenhäusern entspannter ist als während der dritten Welle zu Jahresbeginn, was vermutlich daran liegt, dass die meisten Senioren nun geimpft sind. Die Mehrheit der Neuinfektionen findet man nun bei den 20- bis 40-jährigen.
Negativ-Schlagzeilen kurz vor Eröffnung
Es ist allerdings nicht nur das Virus, das die Spiele so unpopulär macht. Erst wenige Tage vor Beginn der Spiele gab es einen Eklat um den Musiker Cornelius, dessen Musik Teil der Eröffnungsfeier werden sollte. Eine eigentlich seit Jahrzehnten bekannte Angelegenheit tauchte ihn plötzlich in ein unangenehmes Licht – in seiner Schulzeit war er an schwerem Mobbing geistig behinderter Mitschüler beteiligt, und über diese Taten “prahlte” er in diversen Interviews mit Zeitschriften in den 1990ern. Das Motto der Spiele “Einheit in Vielfalt” passte nicht zu der Einstellung des Musikers und obwohl die Organisatoren trotz der Nachrichten an ihm festhielten, trat dieser nun selbst zurück. Auch der Kreativdirektor der Eröffnungsfeier, Kobayashi Kentarō, musste nur einen Tag vor der Eröffnung der Spiele seinen Hut nehmen, als herauskam, dass er sich in einem Sketch aus dem Jahre 1998 über den Holocaust lustig gemacht hatte.
Mit anderen Worten: Diese Olympischen Spiele sind komplizierter als nje zuvor. Ob die Bevölkerung trotz allem die Wettkämpfe genießen wird, oder ob sie doch noch in allerletzter Minute abgesagt oder gar abgebrochen werden, hängt nun von den Organisatoren ab – und natürlich vom Infektionsgeschehen.
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