Die Bevölkerungszahlen Japans bereiten schon seit langem Sorgen: In kaum einem anderen Land der Erde (mit Ausnahme von Italien und Deutschland) ist die Geburtenrate in den vergangenen Jahrzehnten so dramatisch eingebrochen wie in Japan. Doch während in Deutschland eine Trendwende in Sicht zu sein scheint, ist die Aussicht für Japan nach wie vor trüb. Schaut man sich die Wachstumskurve der vergangenen Jahrzehnte an, ging es eigentlich die ganze Zeit bergauf. Doch der Schein trügt, denn die Bevölkerung wuchs in der vergangenen Zeit nicht etwa, weil viele Kinder geboren wurden, sondern weil die Menschen immer länger leben. Aus der hinlänglich bekannten Bevölkerungspyramide wurde mehr und mehr eine Urnenform, deren breitester Teil stetig nach oben wächst.
Es gibt unterschiedliche Prognosen zur weiteren Entwicklung, und diese weichen stark voneinander ab – das ist verständlich, denn Demografen müssen hier eine Rechnung mit sehr vielen Unbekannten lösen. Diese Unbekannten sind unter anderem zukünftige politische Maßnahmen, die wirtschaftliche Entwicklung, das gesellschaftliche Klima und der medizinische Fortschritt.
Das wirft interessante Fragen auf: Wie verhält sich zum Beispiel eine kapitalistische Gesellschaft, in der gute Bildung sehr gutes Geld kostet, bei sinkenden Geburtenraten? Einerseits haben die Kinder in so einer Gesellschaft bessere finanzielle Reserven – im “besten” Fall kümmern sich sechs Erwachsene (die Eltern und die jeweiligen Eltern der Eltern) finanziell um ein einziges Kind. Bei einer Familie mit sechs Kindern sieht da die Lage schon ganz anders aus. Andererseits werden viele Waren auch teurer, da viele Anbieter mangels Nachwuchs (sprich “Kunden”) die Preise erhöhen. Auch der sozialpsychologische Effekt dürfte hier eine Rolle spielen: Die Hemmschwelle, Kinder zu zeugen, dürfte in einer kinderarmen Gesellschaft weit höher liegen als in einer kinderreichen Gesellschaft, aber das ist nur eine Theorie am Rande.
Schon jetzt führt der Nachwuchsmangel zu großen Problemen – für das ländliche Japan zum Beispiel, wo einige Landstriche fast nur noch von sehr alten Menschen bewohnt werden. Firmen gehen ein, da der Chef ohne (willige) Erben in den Ruhestand geht oder verstirbt, und immer mehr Häuser verfallen zunehmend, da die Bewohner verstorben sind und niemand das Erbe antreten kann oder will.
Hinzu kommen wachsende Probleme in der Altenpflege. Und trotz alledem rufen Ökonomen nach mehr Wirtschaftswachstum beziehungsweise wird die stagnierende Wirtschaft beklagt – die ist jedoch bei rechtem Licht betrachtet ein Wunder, denn trotz Geburtenrückgang und scheinbar ewig anhaltender, fehlender Inflation (die Preise zahlreicher Waren haben sich seit Jahrzehnten nicht geändert) steht Japan noch immer wirtschaftlich gesehen sehr gut da.
Glaubt man den pessimistischen Schätzungen, wird die Bevölkerung in den nächsten Jahren auf ein Drittel sinken. Optimistischere Schätzungen sagen vorher, dass sich die Bevölkerung bei rund 100 Millionen einpendeln wird. Der Schlüssel zur weiteren Entwicklung ist dabei nicht nur die Geburtenrate, sondern auch die Zuwanderung. Die Zahl der Ausländer, die in Japan studieren oder arbeiten, befindet sich mit knapp 2,5 Millionen bereits auf einem historischen Rekordstand, und die Politik, so oft man auch gegenteilige Töne hört, ist dabei, die Zahl ausländischer Arbeitskräfte (und damit potentieller Eltern) zu erhöhen. Letztendlich wird Japan sich jedoch auf die Überalterung einstellen müssen – das hat man allgemein bereits erkannt und man ist auf gutem Wege.
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