Sie gelten als typisch japanisches Problem – sogenannte 痴漢 (chikan), umgangssprachlich könnte man sie mit „Perverse“ übersetzen. Und dafür gibt es einige Gründe – zum Beispiel den, dass japanische Frauen eher als schüchtern gelten, oder auch den, dass es so viele männliche Japaner gibt, die den regulären Kontakt mit dem anderen Geschlecht scheuen. Aber auch den, dass der Lolita-Komplex gesellschaftlich gut gepflegt wird. So mancher Grabscher wählt deshalb am liebsten proppenvolle Züge aus, um seine Bedürfnisse nach Berührung zu befriedigen – ob es der Berührten nun gefällt oder nicht. In der Hoffnung, dass das Opfer nicht erkennen kann, wo der Angriff herkommt, und dem aufgrund der Enge auch nicht ohne Weiteres entkommen kann. Leider geht die Rechnung der Grabscher meistens auf: Je nach Schätzung oder Statistik begehren nur zwischen 10 bis 30 Prozent der Opfer auf. Die Mehrheit der Fälle bleibt somit ungeahndet.
Analoge und digitale Lösungsansätze
Mit Kampagnen nach dem Motto „Grabschen ist eine Straftat“, aber auch mit dem Einsatz von „Women Only“-Waggons versucht man seit Jahrzehnten die Menschen zu sensibilisieren, sowie Frauen zumindest in der Hauptverkehrszeit die Möglichkeit zu geben, sich der Gefahr zu entziehen. Hinzu kommen neuere, aber eher analoge Mittel wie zum Beispiel ein UV-Stempel, den man der grabschenden Hand aufdrücken soll. Die neueste Waffe sind jedoch Apps: Seit Februar 2020 läuft ein Pilotprojekt auf der JR-eigenen Saikyo-Linie – diese verbindet Saitama mit Tōkyō und gilt als besonders grabscherverseucht. Die Idee: Frauen „checken ein“, wenn sie einsteigen, indem sie angeben, in welchem Zug und in welchem Abteil sie sich befinden. Per App können sie dann Alarm geben, der sofort an das Tablet des Schaffners und die Angestellten des Bahnhofs geschickt wird. Danach soll umgehend eine Lautsprecheransage erfolgen, in der bekanntgegeben wird, wo genau sich ein Grabscher aufhalten soll, damit andere Passagiere einschreiten können. Den Rest übernimmt die Bahnhofswache. Der Sinn: Es den 70 bis 90% der betroffenen Frauen, die es bisher nicht wagten, die Stimme zu erheben, einfacher zu machen, etwas zu tun, denn das Telefon halten sowieso alle im Zug in der Hand. So kann man auf den Grabscher aufmerksam machen, ohne ihn direkt zu konfrontieren. Ein sinnvoller Ansatz.
DigiPoli-App
Auch die von der japanischen Polizei entwickelte App „DigiPoli“ wird von mehr als 100.000 Menschen geschätzt. Die App gibt es bereits seit 2016, und das Prinzip ist simpel: Drückt man in der App auf einen Knopf, schrillt das Telefon in der höchstmöglichen Lautstärke und beim nochmaligen Drücken ertönen Aussagen wie: „Hilfe!“ oder „Hör auf!“. Zudem wird eine E-Mail an eine vorregistrierte Adresse versendet, auf Wunsch mit der genauen Ortsangabe.
Chikan Radar
Eine weitere App mit dem selbsterklärenden Namen „Chikan Radar“ setzt ganz woanders an. Hier können Betroffene nachträglich eintragen, wo, wann und in welcher Form sie angegriffen/belästigt wurden. Das hilft potenziellen Opfern, die diese Orte somit bewusst meiden können, unter Umständen aber auch der Polizei, die somit orten kann, wo besonders viele und in der Regel eben nicht bei der Polizei registrierte Straftaten geschahen. Die Datenbank soll wohl nach Angaben des App-Betreibers rund 2.500 Fälle gespeichert haben. Die Datenbank zeigt dabei auch auf, dass Grabscher nicht unbedingt auf volle Züge begrenzt sein müssen. Ähnliche Zwischenfälle wurden zum Beispiel auch von gut frequentierten Convenience Stores berichtet.
Zu Unrecht beschuldigt
Das chikan-Problem ist jedoch nicht nur eines für Frauen. Es sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen Männer zu Unrecht bezichtigt wurden. Entweder, weil das Opfer nicht den Richtigen identifiziert hat, manchmal aber auch als kriminelle Masche: Eine Frau bezichtigt einen x-beliebigen Passagier, sie begrabscht zu haben, und ihr Mithelfer schlägt das vor, finanziell und ohne Einschaltung der Polizei beilegen zu können. Plumpe Erpressung quasi. Ein findiger Japaner hat daraus eine interessante Idee entwickelt, die sich jedoch so ganz sicher nicht durchsetzen wird: Männer tragen Minikameras an beiden Handgelenken. Die Daten werden an einen Cloudserver geschickt und, falls der Mann des Grabschens bezichtigt wird, von einem Anwalt analysiert, der dann flugs ein Gutachten ans Mobiltelefon schickt, dass den Beklagten von jeglicher Schuld freispricht. Clever zwar, aber man darf bezweifeln, dass viele Männer soweit gehen wollen, permanent mit Kameras an beiden Händen herumzurennen…
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