Japan - mit dem zug von Nord nach Süd 19-Tage-Studienreise

Bildung in Japan | Teil 3: die japanische Oberstufe

Matthias Reich
Matthias Reich

Nach insgesamt neun Jahren Grund- und Mittelschule rücken fast 100% der japanischen Jugendlichen in die Oberschule auf – ob sie danach auch studieren wollen, bleibt offen. Es ist schon lange nicht mehr wichtig, ob man eine Oberschule besucht, sondern welche.

Oberschule

Viele Japaner verbinden mit der kōtōgakkō (Oberschule), geläufig abgekürzt als kōkō, zum einen erst mal eins: Luft holen. Da es für den weiteren Werdegang extrem wichtig ist, an welcher Oberschule man gelernt hat, müssen die Schüler vor allem im letzten Jahr der Mittelschule pausenlos für die Aufnahmeprüfungen büffeln.

Die Erleichterung zahlreicher Schüler nach dem Oberschuleintritt hat vor allem zwei Gründe: Zum einen sind die kommenden drei Jahre nun quasi abgesichert und die nächsten schweren Prüfungen stehen erst in über zwei Jahren an – egal ob man nun zur Uni geht oder sich um einen Lehrplatz oder eine Stelle bewirbt. Zum anderen bedeutet die Zulassung zu einer besseren Oberschule ebenfalls, dass die Weichen zur Aufnahme an einer guten Universität mehr oder weniger gestellt sind. Ferner ist der Oberschuleintritt auch eine große Umstellung für die Schüler, denn man wechselt nicht einfach an die nächstgelegene Oberschule, zusammen mit den alten Schulfreunden, sondern an die Oberschule, für die man die Aufnahmeprüfungen geschafft hat. Diese sind je nach Oberschule unterschiedlich und als nunmehr inoffizielle Messlatte gilt der sogenannte hensachi (Abweichungswert), welcher sich auf das statistische Mittel der Normalverteilung beruft: 50 ist der dementsprechende Normalwert, während ein Ergebnis von 65 bedeutet, dass man besser als 95% der Geprüften ist. Mit anderen Worten: Rein rechnerisch gesehen erreichen nur 5% aller Schüler die Prüfungen an einer Oberschule mit einem hensachi von 65 oder mehr. Je höher der Wert, desto erheblich größer die Chancen, auch an einer Eliteoberschule angenommen zu werden.

aufgeschlagene bücher und hefte

Interessant ist dabei der Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Oberschulen im urban-ruralen Vergleich: Während private Schulen in Ballungsräumen wie Tōkyō oder Ōsaka um Längen besser abschneiden als die meisten öffentlichen Schulen, verhält es sich in der Provinz eher andersrum. Dort sind private Oberschulen in vielen Fällen die letzte Möglichkeit für die Schüler, welche die Aufnahmeprüfungen der öffentlichen Schule nicht geschafft haben.

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Zwischen den Oberschulen liegen dabei Welten. Während man jene mit Schülern, die einen durchschnittlichen hensachi von 65 oder mehr aufweisen, getrost als Eliteschulen bezeichnen kann (darunter gibt es auch durchaus die eine oder andere öffentliche Schule), ist das untere Ende, bei einem Wert von 40 oder weniger, stark stigmatisiert. Schulen mit einer solchen Schülerschaft werden oft als kyōiku-konnan-kō (Bildungsnotstandsschulen) bezeichnet, dessen Lehrer bereits froh sind, wenn die Schüler wenigstens ihren eigenen Namen in Kanji schreiben können. Sowohl Eltern als auch Lehrer wissen dabei dank des Internets und kursierender Gerüchte in der Nachbar- und Kollegenschaft gut Bescheid und lassen nichts unversucht, um diese Schulen zu meiden. Die Leidtragenden sind jedoch schließlich die unterdurchschnittlichen Schüler, welche diesem Schicksal kaum entrinnen können.

 

Ein wesentlicher Unterschied der japanischen Oberschule zur deutschen Oberstufe besteht in der Rolle der Zensuren: Da es in Japan größtenteils darum geht, an welcher Oberschule man gelernt hat, beziehungsweise an welche Universität man nach der Oberschule gelangt, spielen die Noten eine eher untergeordnete Rolle. Die universitätsinteressierten Oberschüler können es sich jedoch nicht leisten, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Ein Grund dafür ist suisen (Empfehlung). Viele Oberschulen können, in einem festgesetzten Rahmen, eine begrenzte Anzahl von Schülern an die Universitäten empfehlen. Das hat für die Schüler den Vorteil, keine oder so gut wie gar keine Aufnahmeprüfungen ablegen zu müssen, um an einer der gewünschten Universitäten angenommen zu werden. Doch natürlich gilt auch hier: Nur gute Oberschulen können Schüler auch an gute Universitäten empfehlen, schlechte Oberschulen hingegen erreichen Übereinkünfte nur mit den weniger angesehenen Universitäten.

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