Japans Arbeitsmarkt hat seit dem Ende der Bubble Economy 1992 viele strukturelle Veränderungen durchgemacht. An der niedrigen Arbeitslosenquote hat sich aber kaum etwas geändert. Nun ist die Arbeitslosigkeit in Japan sogar auf dem niedrigsten Stand seit über zwei Jahrzehnten gesunken: im April 2017 auf 2,8%. Kein anderes Land der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat so wenige Arbeitssuchende zu verzeichnen. Nur: die wenigsten Akteure auf dem japanischen Arbeitsmarkt haben etwas von dieser vermeintlich positiven Zahl. Warum?
Zuviel Arbeit in Japan – und keiner, der sie machen kann
Dass so wenige Menschen Arbeit suchen, bedeutet für viele Firmen in Japan, dass sie freie Stellen nicht besetzen können. Derzeit kommen in Japan auf 100 Arbeitssuchende 148 Stellen. Das führt dazu, dass einige Firmen Service und Produktion bereits zurückfahren mussten.
So klagte der Liefer- und Transportservice Yamato unlängst darüber, nicht genügend Fahrer zu finden. Anfang Mai 2017 hatte das Unternehmen angekündigt, etwa 10.000 neue Mitarbeiter einstellen zu wollen – unter anderem, um die Überstundenzahl der bestehenden Angestellten zu verringern. Das Unternehmen ließ die japanischen Medien aber schon vorab wissen, dass die Vollbesetzung aller Stellen aufgrund fehlender Kandidaten schwierig würde.
Brachliegende Wachstum: Japan kommt nicht vorwärts
Gleichzeitig bedeutet der Mangel an Arbeitskräften nicht zwangsläufig, dass die japanischen Firmen sich bemühen, die Arbeitnehmer zu binden – beispielsweise über eine Entfristung oder höhere Löhne. In wenigen Bereichen mögen die Löhne zwar steigen. Viele große Firmen wie Panasonic und Toyota hatten zum Beginn des neuen Fiskaljahres im April 2017 aber die geringsten Lohnanhebungen seit langem angekündigt.
Die japanische Nationalbank kritisiert dementsprechend die gleichbleibenden Löhne sowie stillstehende Wirtschaftspotenziale aufgrund fehlender Arbeitskräfte und geringer Produktivität. Alle drei Faktoren schadeten Japans Inflationsrate. Diese solle bei mindestens 2% liegen, um die japanische Wirtschaft nachhaltig aufstellen zu können.
Irreguläre Beschäftigung hemmt Absätze und Bevölkerungswachstum in Japan
Auch die steigende Zahl irregulärer Beschäftigungsverhältnisse sorgt dafür, dass Kandidaten zwar nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik geführt werden – für mehr wirtschaftliche und soziale Absicherung sorgen Teilzeit-Verträge und befristete Anstellungen aber nicht.
An diesem Problem kränkelt die japanische Wirtschaft – und auch die Gesellschaft – bereits seit dem Ende der Bubble Economy. Als Folge der Wirtschaftskrise wurde die vorher weit verbreitete lebenslange Anstellung abgebaut und durch irreguläre Anstellungen ersetzt. Während 1994 20,3% der Arbeitnehmer mit irregulären Verträgen angestellt waren, stieg die Zahl bis 2016 auf 37,5%.
Die in solchen Arbeitsverhältnissen fehlende Absicherung führt zu einem konservativeren Ausgabeverhalten, was wiederum der japanischen Wirtschaft schadet. Zudem trägt sie auch nicht dazu bei, dass die Japaner noch bereit sind, Familien zu gründen: Seit Jahren pendelt die Geburtenrate laut Statistik bei durchschnittlich 1,4 Kindern pro Frau. Das hat zurzeit einen Bevölkerungsverlust von 0,2% pro Jahr zur Folge. Bis 2050 soll die Zahl der japanischen Staatsangehörigen von heute 127 auf unter 100 Millionen sinken.
Wie kann Japan neue Arbeitskräfte generieren?
Für den Arbeitsmarkt bedeutet das, dass zunehmend Senioren reaktiviert werden – und auch Frauen als Arbeitskräfte herangezogen werden sollen. Traditionell gehen diese in Japan nach der Familiengründung oft nicht mehr arbeiten, obwohl viele von ihnen gut ausgebildet sind.
So hatte Japans Premierminister Abe als Teil seiner Strategie zur Stärkung der Wirtschaft, der Abenomics, die Womenomics ausgerufen. Bisher fehlen jedoch strukturelle Anreize wie höheres Kindergeld oder flächendeckende Kinderbetreuung, um einen Trend auslösen zu können.
Auch tut Japan sich trotz neuer Gesetze unter der Abe-Regierung seit 2012 schwer mit der Einwanderung, die Japan neue Arbeitskräfte erschließen könnte. Auch die neuen Maßnahmen bevorzugen wie gehabt exzellent ausgebildete Arbeitskräfte – so können ausländische Studierende im Anschluss an ihr Studium in Japan nun leichter Arbeitsvisa beantragen, um dauerhaft in Japan zu bleiben.
Regelungen zur Einwanderung für weniger gut ausgebildete Migranten stecken noch in den Kinderschuhen. Solche Arbeitskräfte werden aber vor allem in der Pflege und im Servicebereich dringend benötigt.
Kommentare