In Japan gibt es mehr als 50.000 Unternehmen, die älter sind als 100 Jahre. Das erscheint jedoch wie eine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass einige schon seit mehr als 1.000 Jahren existieren. Als eines der ältesten noch operierenden Hotels gilt das Ryokan Nishiyama Onsen Keiunkan (西山温泉慶雲館) in der Präfektur Yamanashi, das laut dem Guinness Buch seit dem Jahr 705 n. Chr. Gäste empfängt. Noch älter war nur die Firma Kongo Gumi (金剛組, gegründet 587), die allerdings im Jahr 2006, nach mehr als 1.400 Jahren im Tempel-Bau-Business, nach finanziellen Schwierigkeiten von einem Wettbewerber übernommen wurde.
Das Keiunkan Onsen in Yamanashi
Geschichte zum Anfassen – und Genießen
Die Produkte beziehungsweise Dienstleistungen dieser Firmen-Fossilien orientieren sich natürlich an den Gegebenheiten und Bedürfnissen ihrer Gründungszeit. So finden sich die meisten der uralten Unternehmen im Bereich der Hotellerie, der Gastronomie, des Bauwesens oder der Holzverarbeitung. Auch heute noch können Sie beispielsweise Sake der Firma Sudō Honke (須藤 本家, gegründet 1141) aus der Präfektur Ibaraki, Tee bei Tsūen (通圓, gegründet 1160) oder Reiskuchen von Ichimonjiya Wasuke (一文字屋和輔, gegründet im Jahr 1000) in Kyōto genießen.
Vielleicht schauen Sie mal auf eine leckere Teespezialiät bei Tsūen vorbei?
Familientradition ist Pflicht!
Die Fortführung eines Unternehmens über dutzende Generationen hinweg steht und fällt mit der Sicherstellung der geeigneten Nachfolge. In Japan gibt es dazu ein ganz spezielles Konstrukt, das in vielen Familienunternehmen auch heute noch angewandt wird. Wenn in einer Unternehmerfamilie ein geschäftlich versierter männlicher Nachfolger fehlt, gibt es die Möglichkeit der Adoption von Erwachsenen.
So wird beispielsweise häufig der Schwiegersohn des Firmenpatriarchen – bei entsprechender Eignung – in die Familie adoptiert. Dieser wird dann als so genannter mukoyōshi (婿養子) in die Familie seiner Frau aufgenommen, und nicht, wie sonst üblich, die Frau in die Familie des Mannes. Das Management der Firma im Sinne der Familienwerte ist damit gesichert – auch wenn sich aus heutiger Sicht die Frage nach der Geschlechtergleichstellung durchaus aufdrängt.
Typisch Japanisch?
Ein weiterer Faktor ist die jahrhundertelange Isolation Japans während der Edo-Zeit (江戸時代, 1603-1868). In dieser von Frieden geprägten Zeit konnte sich die Kultur und Wirtschaft Japans weitestgehend ohne störende Einflüsse und Konkurrenz aus dem Ausland entwickeln. Auch die Herausbildung der urbanen Eliten förderte die Entwicklung der handwerklich spezialisierten und auf höchste Qualität ausgerichteten Unternehmen. Dazu kommen noch weitere Aspekte, die man durchaus als traditionell japanisch bezeichnen könnte, nämlich ein starker Fokus auf die Firmen- und Familienidentität, breite Diversifizierung der Geschäftsfelder, konservatives Finanzmanagement und die Betonung von Harmonie mit der Umwelt und Gesellschaft. Gleichzeitig haben sich gerade die Unternehmen so lange gehalten, deren Produkte niemals wirklich aus der Mode kommen. Nachfrage nach gutem Essen und Trinken, schönen Übernachtungsmöglichkeiten an Top-Locations oder einzigartiges Handwerk überdauern eben die Jahrhunderte.
In Deutschland gibt es übrigens auch eine Handvoll dieser uralten Unternehmen. Davon sind die meisten Brauereien – wen wunderts!
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