JAPANDIGEST: Du bist 2012 nach London gezogen. Wie kam es dazu?
Hotei Tomoyasu: Zu meinem 50. Geburtstag habe ich mich gefragt, welche Träume ich noch umsetzen möchte. Ich habe ja immer in Japan gelebt – dabei dachte ich mit 14, dass ich um die Welt touren will! Also haben meine Familie und ich den kompletten Neubeginn gewagt. In Japan bin ich so erfolgreich, dass ich nicht mal Bahn fahren kann, ohne aufzufallen – vor allem, weil ich auch so groß bin (lacht)! In London genieße ich beim Nickerchen im Park die Anonymität.
Ich weiß noch nicht, ob ich in Europa Erfolg haben werde, aber ich habe mich bewusst für dieses Abenteuer entschieden. Es ist mir wichtig, etwas Neues auszuprobieren, und ich will lieber scheitern, als mich dieser Herausforderung nicht gestellt zu haben!
JAPANDIGEST: Welche Beziehung hast du zu Deutschland?
Hotei Tomoyasu: Mein Interesse für Deutschland kommt durch die Musik! Als Teenager habe ich David Bowies Songs wie Heroes, Low oder Lodger gehört und mich gefragt, wie Berlin wohl sein mag. Dann habe ich alles gehört, was ich in Japan in die Finger kriegen konnte, Kraftwerk und Tangerine Dream, D.A.F. und Nina Hagen, Einstürzende Neubauten – also alle Genres von Progressive über Punk bis Noise. Diese Einflüsse kann man definitiv aus meinem Gitarrenspiel heraushören. Ich treffe auch immer wieder Plattensammler und bin dann sehr stolz, wie viel ich über Deutschlands Musikszene weiß.
JAPANDIGEST: 1999 hast du live in Hamburg gespielt, dann erst 2016 wieder in Berlin. Wie kam es zu deiner langen Deutschlandpause?
Hotei Tomoyasu: Tatsächlich durfte ich mit meiner damaligen Band BOØWY schon 1985 nach Berlin für Aufnahmen in den legendären Hansa-Studios. Wir waren auch im Ostteil – der wirkte, als sei die Zeit in einem Schwarzweiß-Film stehengeblieben, dunkel und drückend. Als 1989 die Mauer fiel, flog ich sofort hin. Ich wollte das freie Berlin sehen! Auch danach war ich öfter für Aufnahmen dort.
2016 hatte ich mein 35-jähriges Bühnen-Jubiläum. Zu dieser Gelegenheit wollte ich mich auf meine Ursprünge als Musiker besinnen – und da kamen mir diese alten Berlin-Erinnerungen. So entstand die Idee, dort ein Konzert zu geben.
JAPANDIGEST: Und wie lief dein Konzert im Cassiopeia in Berlin?
Hotei Tomoyasu: Das war wirklich eine sehr gute Erfahrung: Viele kannten natürlich meine Songs, aber auch für die, die zum Beispiel nur Battle without Honor or Humanity kannten, haben wir eine gute Show geboten. Und Berlin war wie immer stark – die Stadt läuft jetzt über vor Lebensenergie! Ich hatte das Gefühl, dass Deutschland richtig Lust auf die Zukunft hat. Ich war aber auch wehmütig: David Bowie ist tot, meine Band BOØWY gibt es nicht mehr. „Mein“ altes Berlin gehört jetzt der Vergangenheit an…
JAPANDIGEST: Du arbeitest viel mit internationalen Musikern zusammen, auch deutschen…
Hotei Tomoyasu: Genau, mit Richard Kruspe von Rammstein habe ich zuletzt den Track Move it! eingespielt. Wenn man Rammstein hört, kann man sich das gar nicht vorstellen, aber Richard ist ein absoluter Gentleman. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir diese Kollaboration angeboten hat und ich so die Möglichkeit hatte, mich den deutschen Rockfans vorzustellen. Er kam auch zu meinem Konzert in Berlin und sagte nachher über mein raues Gitarrenspiel, dass es besser sei als das von Jeff Beck! Unglaublich!
JAPANDIGEST: Welche Rolle spielt dein kultureller Hintergrund als Japaner, wenn du mit anderen Musikern zusammenspielst?
Hotei Tomoyasu: Es gibt soviele unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Geschichten und Werten! Vielen Japanern ist das gar nicht so bewusst, weil sie als Japaner in Japan leben und nur selten Gelegenheit haben, sich im Abgleich mit der Welt außerhalb zu reflektieren.
Ich wiederum bin mit europäischer und amerikanischer Musik aufgewachsen. Mir wird aber oft gesagt, dass meine Songs orientalisch-mysteriös klingen. Viele Fans finden, dass Battle without Honor or Humanity sie an Shamisen-Musik erinnert. Meine japanische Prägung fließt wohl unterbewusst ein. Insgesamt denke ich aber, dass Musik die internationalste aller Sprachen ist. Es ist toll, durch Musik mit anderen Musikern aus allen Ländern kommunizieren zu können!
JAPANDIGEST: Welche Bedeutung hat Rock-Musik für dich?
Hotei Tomoyasu: Sie ist mein Leben! Ich möchte jedem, der meine Musik hört, Zuversicht und ein gutes Gefühl vermitteln. Meine Zuhörer sollen strahlen, wenn sie meine Gitarrenriffs hören. Für mich selbst hat sie die gleiche Funktion: Rock ist meine größte Bestimmung, und deshalb werde ich niemals aufhören, ihn zu spielen!
JAPANDIGEST: Zum Schluss: Welchen Reisetipp hast du für unsere Leser?
Hotei Tomoyasu: Tōkyō ist interessant, aber letztlich auch nur eine typische Großstadt. Ich liebe Japans Natur dafür sehr. Fahrt also mit dem Zug aufs Land, das ist super! Das Meer, die Berge, die Flüsse… Japan zeigt zu jeder Jahreszeit eine andere schöne Seite!
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Biographie Hotei Tomoyasu 布袋寅泰
1962 geb. in der Präfektur Gunma
1981-88 Gitarrist bei BOØWY
1988-2015 Produktion von 16 Solo-Alben
1998 Auftritt im Film Samurai Fiction
2003 Beitrag zum Kill Bill Vol. 1 OST
2012 Umzug nach London, UK
2015 neues Album Strangers
2016 + 2017 Deutschland-Konzerte
[Musikvideo] Walking Through The Night (featuring Iggy Pop)
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